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Bundeskanzlerin Angela Merkel blickt am VW-Stand auf der IAA 2017 in die automobile Zukunft. Foto: Volkswagen

Die Bundesregierung hat mit den Kommunen ein Sofortprogramm von einer Milliarde Euro zur Verbesserung der Luftqualität vereinbart. Damit sollen Fahrverbote vermieden werden. Das Geld soll vor allem in die Umrüstung des öffentlichen Nahverkehrs fließen. Das Sofortprogramm für die Kommunen beziehe sich auf den öffentlichen Bereich und ranke sich um die “moderne Verkehrsführung und Logistik”, sagte Merkel. Die Wende hin zu umweltfreundlichem Verkehr solle auch über 2018 hinaus mit weiteren Programmen gefördert und “verstetigt” werden. Dies sei eine Aufgabe für die neue Regierung, so Merkel. Die Städte und Gemeinden forderten noch vor dem neuen Dieselgipfel bei der Bundeskanzlerin eine schnelle und unbürokratische Umsetzung der zugesagten Fördermaßnahmen zur Reduzierung von Luftschadstoffen vor Ort. Schon beim ersten kommunalen Dieselgipfel vor der Bundestagswahl wurde bekanntlich eine Milliarde Euro (750 Millionen Euro Bund, 250 Millionen Autoindustrie) in Aussicht gestellt. Von dem Geld sollen die Städte unterstützt werden, die besonders unter Stickoxid-Emissionen leiden. Bislang ist allerdings noch kein Geld geflossen, kein einziger Cent, wie der  Deutschen Städte- und Gemeindebund betont. Auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisierte das passive Verhalten der deutschen Autoindustrie. Für das nächtse Treffen forderte sowohl die Bundesregierung als auch der Städtetag konkrete Ergebnisse von VW, Daimler und Co. Die Bürokratie ist zu langsam. Die Kommunen stehen in den Startlöchern, um zum Beispiel ihre Dieselflotten nachzurüsten oder verstärkt auf Elektromobilität zu setzen. Derartige Maßnahmen führen kurzfristig zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes und wären auch ein wichtiges Signal für die im Februar anstehende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu möglichen Fahrverboten. „Wir brauchen eine konkrete, klare Zusage, dass die ersten Gelder noch in diesem Jahr fließen und dass auch bereits begonnene Maßnahmen förderfähig bleiben“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg, in Berlin. Landsberg warnte zugleich vor Insellösungen nur für einzelne Städte, die das Problem nur verlagern. „Wir müssen die Regionen in den Blick nehmen und dabei die Stadt-Umland-Beziehungen und die Pendlermobilität berücksichtigen“. „Fahrverbote und Blaue Plakette lehnen wir ab. Wir dürfen der Lebensader der Kommunen nicht den Stecker ziehen. Das würde die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger ungerecht belasten und wäre in der Praxis kaum umsetzbar.“, so Landsberg weiter.

lexander Handschuh, stellvertretender Pressesprecher des DStGB, Dr. Gerd Landsberg, DStGB-Hauptgeschäftsführer und Harald Jucknat, Geschäftsbereichsleiter Vertrieb bei der Deutschen Post. Foto: DStGB

Notwendig ist vielmehr die Elektromobilität gerade bei den kommunalen Nutzfahrzeugen voranzubringen, um damit die Verkehrswende einzuleiten und ein Vorbild zu sein. Dabei eignen sich die Fahrzeuge der neuen Generation auch mit Blick auf Ladezeiten, Reichweiten und Ausstattung sehr gut für die allermeistern Aufgaben in den Kommunen. „Ob Ordnungsverwaltung, Bauhof, Stadtreinigung oder Grünflächenamt – in allen diesen Bereichen können die alten Flotten sukzessive durch elektrisch betriebene Fahrzeuge ersetzt werden“, so Landsberg. Vor diesem Hintergrund stellt der Deutsche Städte- und Gemeindebund gemeinsam mit der Deutschen Post in einer Pressekonferenz in Berlin exemplarisch den StreetScooter vor, der auch in zahlreichen kommunalen Anwendungsszenarien zum Einsatz kommen kann. Gemeinsam mit Landsberg präsentierte Harald Jucknat, Geschäftsbereichsleiter Vertrieb bei der Deutschen Post, eine gemeinsame Dokumentation zum Einsatz von Elektrofahrzeugen in den kommunalen Fuhrparks. „Elektrofahrzeuge sind optimal für den innerstädtischen Lieferverkehr und andere kommunale Zwecke geeignet. Zum Beispiel unser StreetScooter: Mit ihm können die Kommunen sowohl die Umweltbelastung in den Städten als auch die Kosten bei Wartung und Verschleiß im Vergleich zum herkömmlichen Fuhrpark signifikant reduzieren. Weiterer Vorteil: Der StreetScooter ist kein Fahrzeug ‚von der Stange‘, sondern ein Werkzeug, das wir an die spezifischen und unterschiedlichen Bedürfnisse der gewerblichen und der kommunalen Nutzer anpassen“, so Jucknat. Der Einsatz derartiger Fahrzeuge gehört in die Reihe kurzfristig wirksamer Maßnahmen, mit denen die Kommunen die Luftqualität verbessern wollen. Die Städte und Gemeinden wollen das Thema zügig angehen, denn auch für den kommunalen Fuhrpark gilt mit Blick auf Luftreinhaltung und Klimaschutz der Grundsatz „Global denken, lokal handeln“. „Das wird allerdings nur funktionieren, wenn sich Bund und Länder zur Verkehrswende bekennen und die Kommunen bei der Umsetzung nachhaltig unterstützen. Auch die deutsche Autoindustrie muss ihren Beitrag leisten, denn mit einem „Weiter so“ wird sie einen Zukunftsmarkt verschlafen“, so Landsberg. Mehrere Stunden lang haben Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen gestern Vormittag im Kanzleramt beraten: Wie kann die Luft in den Städten so verbessert werden, dass Fahrverbote für Dieselautos vermieden werden können? Bei dem Treffen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den Kommunen in Aussicht gestellt, das für das kommende Jahr vereinbarte Milliarden-Sofortprogramm dauerhaft zu erhalten. Und: Die Gelder sollten den Kommunen möglichst schnell zur Verfügung stehen, damit diese “passgenau” Projekte umsetzen könnten, so Merkel. Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sprach in diesem Zusammenhang von einem wichtigen Schritt. Die beschlossenen Maßnahmen allein reichten aber nicht aus, um das Problem von Dieselabgasen flächendeckend zu lösen. Sie sehe vor allem die Autoindustrie in der Pflicht. Was bleibt, sind die in vielen Städten überhöhten Grenzwerte beim Ausstoß gesundheitsschädlicher Stickoxide, die anhaltend überschritten würden. Es drohen gerichtlich erzwungene Dieselfahrverbote.

Mit den beiden Werken in Aachen und Düren wird StreetScooter die in diesem Jahr angekündigten Produktionskapazitäten von bis zu 20.000 E-Fahrzeugen pro Jahr erreicht haben. Foto: Deutsche Post

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), der als Branchenverband rund 450 kommunale Verkehrsunternehmen vertritt, forderte den Bund anlässlich des gestrigen Dieselgipfels auf, jetzt schnell die richtigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Luftreinhaltungsprobleme in den Kommunen zu lösen und Fahrverbote zu verhindern: „In vielen Städten brennt es lichterloh bezüglich der zu erreichenden Emissionsgrenzwerte im Verkehr. Seit Monaten verhandelt die Bundesregierung mit den Ländern und den Kommunen über geeignete Maßnahmen, aber umgesetzt wurde bislang viel zu wenig“, kritisiert VDV-Präsident Jürgen Fenske. Aus Sicht der Bus- und Bahnbetreiber greift eine Diskussion über die reine Umrüstung von öffentlichen Fahrzeugflotten dabei deutlich zu kurz: „Wir brauchen eine Verkehrswende in den Städten, wenn wir Umwelt- und Klimaschutzziele dort nachhaltig erreichen wollen. Es muss deshalb insgesamt mehr in den öffentlichen Personennahverkehr investiert werden, zum Beispiel über ein ÖPNV-Sonderprogramm. Die Bundesregierung ist jetzt gefragt, kurzfristig eine Handlungsfähigkeit für die Kommunen und die dortigen ÖPNV-Unternehmen herzustellen, die dem Ernst der Lage angemessen ist. Eine alleinige Förderung von alternativen Antrieben beim Bus wird die Probleme nicht lösen“, so Fenske abschließend.

Michael Ebling, Präsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU). Foto: SPD Mainz/Ebling

Nach dem Dieselgipfel waren sich alle Beteiligten einig, dass die geplante eine Milliarde Euro nicht ausreiche, um die drohenden Diesel-Fahrverbote in den Städten zu verhindern. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat weitere Hilfen in Aussicht gestellt, denn aktuell kostet ein Elektrobus zwischen einer halben und einer dreiviertel Million Euro. Nimmt man den günstigsten Preis, dann ließen sich 2.000 Elektrobusse anschaffen. Doch das bereitgestellte Geld ist nicht nur für Elektrobusse vorgesehen. Und: Rund 90 Städte in Deutschland sind von Fahrverboten bedroht, sodass rein rechnerisch jede Stadt 20 Elektrobusse bekommen könnte. Auch diese Rechnung geht natürlich nicht auf… Das ist auch den Vertreter aus 30 Kommunen bewusst, die gestern mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über Wege, ein Fahrverbot zu verhindern, diskutierten. Michael Ebling, Präsident des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU), brachte es im Vorfeld des Gipfes auf den Punkt: 10.000 Elektrobusse müssen her. Der VKU-Präsident forderte vom Bund ein entsprechendes Programm für die Anschaffung. Nur mit einer entsprechenden Unterstützung würde der Kauf von Elektro- und Brennstoffzellenbussen gelingen, so Ebling.

 

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