Am Montag zeigte der Fernsehsender RTL eine ‚Team Wallraff‘-Reportage über die Fernbus-Branche. Wie von dem titelgebenden Enthüllungsjournalisten in den vergangenen Jahren häufig praktiziert, arbeiteten auch diesmal die Reporter mit versteckter Kamera, um Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln. Experten wurden zu den gezeigten Zuständen befragt und Interviews mit Mitarbeitern der Unternehmen eingespielt. Der Untitel der Sendung „Wo Sicherheit auf der Strecke bleibt“ verriet, in welche Richtung die Reportage die Aussage lenkte. Der RTL-Reporter Martin Schulte deckte zusammen mit Günter Wallraff u.a. immer wieder Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeit-Regelungen sowie Sicherheitsmängel bei Fahrzeugen auf. Sie zeigten ferner, dass führende Branchenunternehmen mit den für sie fahrenden Subunternehmen Fahrpläne aushandeln, die oftmals kaum eingehalten werden können. Den so entstehenden Zeitdruck ging meistens zu Lasten der Fahrer. Um in der Zeit zu bleiben, blieb ihnen oft nichts anderes übrig, als vor allem die vorgeschriebene Ruhezeit zu umgehen. Damit die Aussagen keine Momentaufnahme blieben, wurde über einen zeitraum von zwei jahren recherchiert. Immer wieder schlüpfte der RTL-Reporter Martin Schulte aus der Rolle des stellvertretenden Redaktionsleiters der Hauptnachrichtensendung „RTL Aktuell“ in die des Busfahrers. Noch aus Studientagen besitzt er einen Busführerschein und konnte sich so problemlos bei verschiedenen Unternehmen in der Fernbus-Branche um einen Job bewerben. Bei seinen Fahrten erlebte er regelmäßig, dass die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Lenkzeitunterbrechungen (alle 4,5 Stunden für mindestens 45 Minuten) kaum einzuhalten waren, weil auch Fahrer in der Pause permanente Ansprechpartner für Gäste waren – so wurden Tickets kontrolliert und Koffer verladen. Selbst die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Ruhezeit von neun Stunden konnte Martin Schulte während seiner Undercover-Touren mehrmals fahrplanbedingt nicht in vollem Umfang in Anspruch nehmen. Gleich bei seiner ersten Undercover-Tour 2014 war er über 25 Stunden auf Achse. Bei seiner letzten Fahrt im Herbst 2016 kam er nach eigener Aussage in 4,5 Tagen auf gerade mal 19 Stunden Ruhezeit. Der RTL-Reporter wurde zudem mehrmals auch auf Nachtfahrten eingesetzt, obwohl er keine der gezielten Schulungen dafür bekam, mit der das Unternehmen, dass die Busse als Subunternehmen einsetzte, warb. Auch wenn viele Missstände aufgezeigt wurden bleibt unbestritten, dass sich der Fernbus als Alternative zur Bahn durchgesetzt hat. Es bleibt ein bitteres Fazit: Das Billig-Prinzip ist trügerisch, den niedrigen Preis können Fernbus-Unternehmen nur durch fragwürdige Praktiken anbieten. Wer sich selbst ein Bild machen möchte: Zur Zeit steht die im Fernsehen ausgestrahlte Reportage noch bei tvnow.de online, dem hauseigenen Digitalangebot der RTL-Mediengruppe, zur Verfügung.
Wallraff im Fernbus
11. Januar 2017