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Der Environmental Concept Bus von Volvo steht heute im Museum im Göteborg. Foto: Schreiber

Der Fahrerplatz sorgte neben dem Design auch für Aufsehen. Foto: Schreiber

Heute steht er im Volvo-Museum in Göteborg und lässt immer noch den einen oder anderen Besucher staunen: Der Environmental Concept Bus von Volvo. Die Schweden präsentierten den ECB der Busbranche im Jahre 1995. Der ECB ist eine runde Sache: Starke Wölbungen und Rundungen vom Bug bis in die Seiten sind kennzeichnend für das Design. Die Front unterstreicht die zentrale Position des Fahrerplatzes. Nicht nur die Instrumententafel mit ihren Monitoren wölbt sich, in diesem Falle um die Lenksäule, sondern auch die Windschutzscheibe wölbt sich. Sogar die Seitenwände, sie wölben sich ins Dach, welches sich ohne Unterbrechung von der Windschutzscheibe bis ins Heck durchzieht. Volvo fiel mit dieser Busstudie nicht nur optisch aus dem Rahmen, auch konzeptionell gingen die Schweden neue Wege: Der Fahrer saß isoliert in der Mitte, das war in der Buswelt des Jahres 1995 etwas Besonderes. Der Arbeitsplatz war eigentlich ein Cockpit, nicht nur wegen der verbauten Joysticks. Vielmehr waren es die Monitore, die nicht nur die bekannten Informationen und Anzeigen für den Fahrer lieferten, sondern auch die Rückspiegel ersetzten. Der mittlere der drei oberen Monitore zeigte dem Fahrer zusätzlich noch den Raum hinter dem Bus. Ansonsten gab es die Informationen, die der Fahrer von den klassischen Armaturen her kannte. Der Fahrgastraum war nicht ganz so überraschend wie der Fahrerplatz, aber die Gestaltung und Funktionalität entsprach allen Wünschen, die man scheinbar Mitte der 90er Jahre äußern konnte: Nicht nur die Stehhöhe von weit über zwei Metern, sondern auch der durchgehend ebene Boden mit einer Höhe von 320 Millimetern über Straßenniveau überzeugte. Klar, ein Kneeling gab es schon, damit konnte man auf 170 Millimetern Höhe einsteigen. Für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste gab es an beiden Türen eine Klapprampe. An Bord war Platz für bis zu 80 Fahrgäste, 24 bis 33 davon konnten sitzen. Eine Neuheit war deren Einbau: Die Fahrgastsitze waren nur an der Seitenwand befestigt, was für die Reinigung vereinfachte. Die Sitze am Gang wurden einfach in die Sitze an der Wand eingesteckt, Dank dieser Steckverbindung hätten alle Sitze zudem in Minutenschnelle ein- und ausgebaut werden können. Flexibilität ja, doch im täglichen Einsatz gar nicht nötig. Bei der Formgestaltung der Sitze gingen die Schweden noch einmal neue Wege, mit den Polsterbezügen zeigten sie, dass es durchaus etwas Farbe sein darf! Die helle Decke bildete mit den hellen Fensterholmen den nötigen Kontrast für ein wohlig warmes Ambiente. Passanten auf der Straße konnten bei diesem aufsehenerregenden Bus wegen der getönten Scheiben nicht ins Innere schauen. So blieb ihnen verborgen, dass man klimatisiert befördert wurde…

Der Fahrgastraum brach mit bisher bekannten Vorgaben für Formen und Farben. Foto: Schreiber

Die Fahrgastsitze waren nur an der Seitenwand befestigt. Foto: Schreiber

Beim Antrieb sorgte Volvo ein weiteres Mal für Aufsehen, denn der Antriebsstrang des ECB bestand aus einer Gasturbine mit integriertem Hochgeschwindigkeitsgenerator, Batterien und einem Elektromotor. Und das schon im Jahr 1995! Die Turbine diente zum Antrieb des Generators und zum Laden der Batterien. Schon damals machten sich die Schweden Gedanken darüber, was heute unter dem Aspekt Luftreinhaltung diskutiert wird. Volvo versprach, dass jeder beliebige Kraftstoff genutzt werden könne. Bei der Premiere wurde der ECB mit Ethanol als Kraftstoff betrieben. Die Gasturbine produzierte nur ein Zehntel der Stickoxide der damals besten Dieselmotoren und dementsprechend nur minimale Partikelemissionen, weil die Verbrennung unter konstantem Druck erfolgte. Der Wirkungsgrad war und ist höher als der eines Dieselmotors. Und weil beim Beschleunigen die Speicherenergie der Batterien zusätzlich zur Verfügung steht, wurde die Turbine auf eine niedrige maximale Leistung von 110 kW) ausgelegt. So wird sie immer mit hoher Belastung an der Grenze des höchsten Wirkungsgrades betrieben. Die Gasturbine selbst besteht aus einem Kompressor, der Turbine, der Brennkammer und einem Wärmetauscher, der auch als Schalldämpfer wirkt. Das funktionierte sehr gut, denn bei den durchgeführten Demonstrationsfahrten war nur ein leises Pfeifen zu hören. Die Turbine ist mit einem Wechselstromgenerator zu einer Einheit zusammengebaut, die wie die Gasturbine mit 70.000/min arbeitet. Die so genannte Überschussenergie bei niedrigem Leistungsbedarf wurde in den Batterien gespeichert. Die Nickel-Metallhybrid-Batterien wurden auf dem Dach verbaut, sie konnten seinerzeit 45 kWh speichern und 3 x 60 Ah leisten. Um Überhitzungen zu vermeiden, wurden sie von Ventilatoren gekühlt. Sie trieben im abgasfreien Betrieb, in dem der ECB rund fünf Kilometer zurücklegen konnte, einen Elektromotor an. Dabei handelte es sich um einen Magnet-Motor, den mit MM ein mittelständisches Unternehmen aus Bayern beisteuerte. Der Motor wurde am Hinterachsdifferential angebaut. Er leistete 94 kW/142 PS und verfügte über 2.850 Nm Drehmoment. Die Radnabenmotoren von MM beanspruchten weniger Platz, waren variabler, und ließen sich so besonders gut im Rad der breiten Super-Single-Reifen unterbringen. Dank dieser Konstruktion konnten die Schweden auf das Differential verzichten. Anders war auch das Lenken, denn die hinteren Räder lenkten mit. Der 10,7 Meter lange, 3,2 Meter Hohe ECB ist 2,55 Meter breit und hat einen Radstand von 8,4 Metern bei einem vorderen Überhang von 1,25 Metern sowie hinteren von 1,05 Metern. Seinerzeit neu war aber auch die Aluminium-Karosserie: Dem Leergewicht von 9,5 Tonnen stand ein zulässiges Gesamtgewicht von 15 Tonnen gegenüber. Das Gerippe bestand aus Alu-Profilen, vorne und hinten verstärkten Überrollbügel aus Stahl die Karosserie. Bei der Karosserie setzte Volvo auf Kunststoff. Pfiffig war der Ansatz einer aktiven Federung, bei der Kraft- und Positionsgeber die geringsten Bewegungen registrieren und Fahrbahnstöße, Neigungstendenzen sowie Schwingungen automatisch und sehr effektiv ausgeglichen wurden. Die Vorderräder ließen die Ingenieure einzeln aufhängen, die einzelbereiften Hinterräder wurden elektronisch gelenkt, was einen Wendekreis von zehn Metern bescherte. ABS und ASR war 1995 auch schon an Bord, ebenso eine vollhydraulische Bremsanlage. Letztere hatte den Vorteil, dass sie im Vergleich zur klassischen Druckluftanlage schneller anspricht. Die Energie bezieht die Bremsanlage aus Akkumulatoren mit komprimiertem Stickstoffgas, die baulich kleiner ausfallen als Druckluftbehälter. Um dem Aspekt der Umweltschonung in allen Bereichen gerecht zu werden, hatte Volvo neuartige Bremsbeläge verbaut, die keine organischen Bestandteile mehr enthielten. Die Super-Single-Hinterreifen kamen von Michelin und hatten bei 495 Millimetern Breite rund 30 Prozent weniger Rollwiderstand – was auch noch einmal Kraftstoff sparte. Welches Potential in dem ECB steckte, wird heute noch bei einem Besuch des Konzeptbusses im Volvo-Museum deutlich. Gute zwei Jahrzehnte später ist der Elektrobus von Volvo schon Realität. Auf dem Weg dorthin haben die Schweden mit Plug-in-Hybridbussen die nötigen Erfahrungen gesammelt, die letztendlich mit tausenden Hybridbussen dazu geführt haben, dass Volvo im Bereich der Elektromobilität ganz selbstbewusst auftreten kann.

Volvo ging beim Antrieb des ECB im Jahr 1995 ganz neue Wege, denn die Schweden verbauten eine Gasturbine mit integriertem Hochgeschwindigkeitsgenerator, Batterien und Elektromotor. Grafik: Volvo

Auch das Interieur des ECB gab Mitte der 90er Jahre eine neue Richtung vor. Grafik: Volvo

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