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Follow the money hat unlautere Machenschaften bei der Vergabe eine Elektrobus-Großauftrages entdeckt. Foto: Screenshot ON

Am Wochenende beherrschte in den Niederlanden das Thema Elektrobus die Medien. Nicht nur überregionale Tageszeitungen, sondern sogar die Nachrichtensendungen mehrerer TV-Anstalten berichteten von “frauduleuze sideletters” im Zusammenhang mit dem Kauf von 259 Elektrobussen. Schon bei Bekanntwerden der Auftragsvergabe im Dezember letzten Jahres an BYD wurden schnell kritische Stimmen laut: Politik und heimische Hersteller mahnten an, dass man doch lieber national handeln solle. Ein offener Brief von Wim van der Leegte, Eigentümer der VDL Groep und Besitzer von VDL Bus & Coach, hinterfragte damals u.a. auch die Verantwortung der Verkehrsbetriebe, die die Elektrobusse in China bestellt hätten. „Die ich rief, die Geister Werd’ ich nun nicht los.“ mag sich ganz im Sinne von Goethes Zauberlehrling nun auch so mancher Verantwortliche denken, wenn es nur darum geht, Kosten zu sparen. Wir befürworten weltweit möglichst wenige Handelshemmnisse, aber auch gleiche Wettbewerbsbedingungen, wie Wim van der Leegte in seinem Brief treffend anmerkte. Abgesehen von Skaleneffekten, günstigeren Löhnen und häufig angewandter staatlicher Unterstützung ist es für chinesische Unternehmen auch einfacher, nach Europa zu exportieren, anstatt den umgekehrten Weg einzuschlagen. Chinesen zahlen für ihre Produkte in Europa kaum Einfuhrzölle, während Europa mit starken Einfuhrzöllen konfrontiert ist. Das hat (s)einen Preis, wie man jetzt in den Niederlanden gemerkt hat. Mit Keolis hatten sich die Verantwortlichen einen (über eine niederländsiche Tochter) ausländischen Konzessionsanbieter ins Boot geholt, der die Erwartungen an eine rein elektrische Mobilität übertraf. Keolis Nederland BV, der niederländischen Tochtergesellschaft des globalen ÖPNV-Anbieters Keolis, hatte im letzten Jahr den Großauftrag für 259 Elektrobusse für den Einsatz im neuen Konzessionsgebiet „IJssel-Vecht“ erhalten, weil das abgegebene Angbot so lukrativ war. Die Konzession im Wert von 900 Millionen Euro für die niederländischen Provinzen Overijssel, Gelderland, Flevoland sowie die Gemeinden Zwolle, Apeldoorn und Lelystad gilt ab dem 13. Dezember 2020 für zehn Jahre. Sie beinhaltet neben dem Betrieb auch die Wartung der Elektrobusse sowie die Ladeinfrastruktur. Stets kritisch beäugt wurden derartige Großaufträge in den Niederlanden immer schon von Journalisten mit investigativem Anspruch. Und Journalisten von “Follow the money” haben jetzt in diesem Zusammenhang aufgedeckt, dass es im Rahmen des Großauftrags geheime Absprachen und Vereinbarungen gegeben haben soll, die in geheimen schriftlichen Verträgen dokumentiert wurden. Nicht nur der Kaufpreis war seinerzeit entscheidend bei der Vergabe, auch die termingerechte Lieferung. Und genau die ist nun durch geheime Absprachen und Papiere auch ins Zwielicht geraten, wie die Journalisten von “Follow the money” herausgefunden und öffentlich gemacht haben. So habe Keolis in einem geheimen Papier beispielsweise zugesichert, dass es keine Konventionalstrafen oder Klagen geben würde, wenn die Lieferbedingungen der bestellten Elektrobusse nicht einhalten werden könnten. Aber genau das war seinerzeit das Aus bei einer möglichen Vergabe des Auftrag an VDL. Und noch mehr deckten die Journalisten auf, so tauchten bei beruflichen Werdegängen interessante Vernetzungen, viele Dinge scheinen auf einmal gar nicht mehr so überraschend, dafür mehr um so fragwürdiger. Die Veröffentlichung der geheimen Papiere kommt zu einem höchst unglücklichen Zeitpunkt, denn auch in den Niederlanden sind die ÖPNV-Betriebe in Zeiten der Corona-Pandemie auf finazielle Unterstützung durch den Staat angewiesen. Jetzt müssen erst einmal alle Zahlen auf den Tisch, bevor Gelder fließen, die fragwürdige Dienstleistungen untertsützen, so Politiker und Kommunen übereinstimmend. Nach Bekanntwerden gab es seitens Keolis kein Dementi, der ÖPNV-Dienstleister zog gleich erste Konsequenzen: Ein Verantwortlicher, dessen Unterschrift eines dieser Papiere ziert, wurde – ebenso wie ein Flottenmanager – suspendiert. Auf der Website teilt Keolis mit, dass man sich von unethischem Verhalten distanziere und geeignete Maßnahmen ergreife. Wegen laufender Ermittlungen würde es aber aktuell keine weiteren Informationen geben können. (Followthemoney/Keolis/Provinz Overijssel/Volkskrant/Schreiber)

Frank Janssen und Isbrand Ho bei Vertragsabschluss über 259 Elektrobusse im Dezember 2019. Foto: BYD

 

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