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Halloween ohne Kürbis ist wie Reisen ohne Bus… Foto: Prevost

„Am Anfang war das Wort.“ Die ersten Worte des Johannesevangeliums waren das Motto des Luther-Jahres 2017. Foto: Daimler; Grafik: Luther2017; Montage: omnibus.news

Heute Abend ist es wieder so weit: Kinder mit übergezogenen Bettlaken werden als Geister verkleidet von Haus zu Haus laufen, um Süßigkeiten mit den Worten: “Süßes, sonst gibt ́s Saures!” zu fordern. Halloween ist ein altes, heidnischen Totenfest, welches wie viele heidnische Bräuche sehr schnell ins Christentum übernommen wurde.

Halloween ist, so wird es jedenfalls von der Frankfurter Allgemeine berichtet, 1991 nach Deutschland gekommen, als Ersatz für den wegen des Golfkriegs ausgefallenen Karneval. Kostümhersteller und Süßwarenhändler verzeichneten seitdem steigende Absätze vor dem Termin in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November.

Nach der Jahrtausendwende etablierte sich das modische Fest. Heute gibt es ausgefallene Kostüme, Halloween-Veranstaltungen und –Partys, spezielle Dekoartikel, Lebensmittel und und und… Auch wenn der Brauch über den Atlantik zu uns geschwappt ist, selbst Prevost hat noch keinen Reisebus mit Halloween-Ausstattung aufgelegt, sondern weiß den Omnibus gezielt in Szene zu setzen, wie das Foto des kanadischen Busherstellers, der heute unter dem Dach von Volvo erfolgreich aktiv ist, zeigt.

Und wieso taucht immer wieder der Kürbis auf? Aus Angst vor bösen Geistern haben die Menschen damals schon Feuer entfacht, später kamen dann Kürbislaternen dazu. Halloween beschert Umsätze in Millionenhöhe – wohlgemerkt ein Fest, das nur einen Tag dauert, quasi eigentlich nur eine Nacht.

Danach wandert alles wieder in den Keller oder auf den Dachboden. Die ausgehöhlten Kürbisse fangen an, vor sich hin zu gammeln und werden ebenfalls entsorgt. Irgendwie schade für ́s Geld! Und: Es gibt einen Unterschied zwischen Halloween und den kirchlichen Festen.

Halloween sei nur eine Hülle, jedenfalls in Deutschland, wo weder keltische noch amerikanische Traditionen verwurzelt sind, liest man in der Frankfurter Allgemeine weiter. Nun lässt sich einwenden, auch Ostern und Weihnachten seien in der säkularisierten Gesellschaft weitgehend entleert.

Sie sind es aber nicht für die, denen christliche Feiertage noch etwas mehr bedeuten als Freizeit und Geschenke. Heute ist aber auch der Reformationstag. Ein kirchlicher Feiertag, der in vielen deutschen Bundesländern von den meisten Menschen doch eher dem Halloween-Fest “gefeiert” wird.

Doch Protestanten und Halloween-Fans müssen sich nicht entscheiden, sondern können sich im Zweifelsfall einfach für Beides entscheiden. Während die Andacht zum Reformationstag im Laufe des Tages stattfindet, beginnen die ersten Halloweenpartys erst gegen Abend und in der Nacht.

Der Reformationstag ist ein Feiertag der evangelischen Kirche und für Protestanten auf der ganzen Welt von Bedeutung. 2017 war der Reformationstag der Höhepunkt des 500-jährigen Reformationsjubiläums mit zahlreichen Festveranstaltungen in ganz Deutschland und den zentralen Feierlichkeiten in Wittenberg.

In Deutschland wird der Reformationstag am 31. Oktober gefeiert, als gesetzlicher Feiertag ist er außerdem in derzeit neun Bundesländern ein freier Tag. Doch warum blicken wir heute noch auf diesen einen tag des Jahres 1517? Martin Luther soll seine 95 Thesen an das Tor der Schlosskirche in Wittenberg geschlagen haben, in denen er Missstände in der Kirche anprangerte und deren Erneuerung einforderte.

Der Thesenanschlag gilt als Auftakt der Reformation, die in ihren Auswirkungen auf Politik, Religion, Kultur und Gesellschaft bis heute von weltgeschichtlicher Bedeutung ist. Das Vermächtnis Martin Luthers reicht weit über kirchliche Veränderungen hinaus. Durch seine Übersetzung der Bibel in eine allgemein verständliche und volksnahe Fassung bereitete Luther zum Beispiel den Boden für eine einheitliche deutsche Schriftsprache.

Sie ist Kern unserer Identität und bis heute gemeinschaftsstiftend, gerade in unserer pluralistischen Gesellschaft. Luther forderte, dass jeder Zugang zu Gottes Wort haben müsse. Das bedeutete, der Zugang zu – zunächst biblischen – Informationen war nicht mehr von Vermittlern abhängig. Das damit verbundene Gebot der Überprüfbarkeit von Aussagen begünstigte eine neue Dialog- und Wissenskultur.

Die Bildung breiter Schichten bekam infolge der Reformation einen höheren Stellenwert – wichtige Voraussetzung für den mündigen Bürger unserer Tage und ein enormer Schub für die Entwicklung von Wissenschaft und Kunst. Diese Entwicklungen stärkten das bürgerliche Selbstbewusstsein. Darüber hinaus wies Martin Luther den Weg zum Menschenbild der Frühmoderne, schreibt die Bundesregierung in einer Pressemitteilung.

Und weiter: Als Luther sich auf dem Wormser Reichstag 1521 dem Diktat von Kaiser und Papst widersetzte, berief er sich auf die Heilige Schrift und sein Gewissen. Damit setzte er der weltlichen und geistlichen Macht Grenzen. Vor allem aber betonte er die Gewissensfreiheit, die Urteilskraft sowie die Eigenverantwortung des Einzelnen.

Diese Beispiele belegen die enorme geistige und politische Prägekraft der Reformation. Die sozialen, kulturellen und politischen Langzeitwirkungen der 95 Thesen können Luther damals nicht bewusst gewesen sein. Der Historiker Heinz Schilling bringt es auf den Punkt: “Luther wurde wider Willen zum Geburtshelfer der pluralistischen und liberalen Moderne, nur indirekt und gegen seine Intention trug er zum Aufstieg von Toleranz, Pluralismus, Liberalismus und Wirtschaftsgesellschaft der Moderne bei.”

Man tut also gut daran, ihn als Person nicht zu überhöhen. Insbesondere sein abstoßender Antijudaismus sollte nicht in Vergessenheit geraten. Und: Der Tag selbst ist unter Historikern übrigens umstritten, denn diese sind sich nicht einig darüber, ob Luther seine 95 Thesen wirklich am 31.10.1517 an die Schlosskirche geschlagen hat… (FAZ/Luther2017/Prevost/Sr)

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