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So blickt der Fahrer in den digitalen Rückspiegel bei Neoplan… Foto: Böhnke

Sascha Böhnke spiegel-, aber nicht orientierungslos. Foto: Boehnke

Statt eines Spiegels ist eine Kamera verbaut. Foto: MAN

VDL: Auch ein Spiegelersatzsystem kann ein Baustein sein, wenn es darum geht, den Luftwiderstand zu verringern. Foto: Schreiber

Die Kamera des Spiegelersatzsystems und der Notspiegelhalterung. Foto: Schreiber

Spieglein, Spieglein oder besser Spieglein oder Kamera an dem Bus, wer gewährt den schönsten Ausblick im ganzen Land? Spiegelersatzsysteme sind in der Buswelt noch eine Ausnahme. MAN stellte die Optiview genannte Technik 2018 auf der IAA vor.

Daimler Truck hat bei der jetzt im Jahr 2022 erneuerten ComfortClass- und TopClass-Baureihen auf das Spiegelersatzystem namens Mirror Cam verzichtet, bietet es aber schon seit Jahren in der Lkw-Sparte für den Actros und Arocs an. Setra ohne die legendären Maikäferfühler? Geht gar nicht, solange die kreativen Köpfe um Stefan Handt nicht das Design der Karosserie überarbeiten.

In der Nutzfahrzeug- und Buswelt haben Spiegelersatzsysteme durchaus schon einen festen Platz, Van Hool und Volvo bieten es für Linien- und Reisebusse an. Mehr Sicht bietet das Kamera-Monitor-System vom schwedischen Anbieter Mirroreye, nicht nur wegen größer Winkel der Kameras, sondern auch wegen der Bird-View-Funktion. 

Und in der Welt der Elektrobusse hat sich das digitale Auge als kamerabasiertes Fahrerassistenzsystem besonders in den Niederlanden durchgesetzt. Ebusco und VDL rüsten ganze Flotten aus, mitunter wird es bei Ausschreibungen auch schon als Ausstattungsmerkmal gefordert.

Sicherheit und Kraftstoffeffizienz sind Argumente, mit denen Hersteller und Zulieferer für die neue Technik werben. Aus der Praxis gibt es aber Kritik: Ein Spiegelersatzsystem würde bei Dunkelheit eine schlechte Sicht bei Rückwärtsfahrten abbilden. Aber: Farbige Hilfs- und Distanzlinien in den Displays helfen dem Bufahrer, den rückwärtigen Verkehr und das Rangieren besser ein- bzw. abzuschätzen, so die Anbieter der Technik.

Die Hersteller führen immer wieder an, dass man den Sicherheitsaspekt nicht außer Acht lassen dürfe: Treffen Busse und Fußgänger oder Radfahrer im Bereich einer Kreuzung aufeinander, können gefährliche Situationen entstehen, weil der Busfahrer sie trotz guter Spiegeltechnik im toten Winkel nur schwer sehen könne.

Ein Spiegelersatzsystem macht den toten Winkel für den Busfahrer einsehbar und sorgt so – insbesondere beim Abbiegen, aber auch bei Spurwechseln und beim Rangieren – für mehr Sicherheit im Straßenverkehr. keine Frage, ein Vorteil, der für alle Beteiligten gilt.

Auch in Sachen Wirtschaftlichkeit überzeugt die neue Technik. Omnibusse, und hier insbesondere Reisebusse, haben einen um rund zehn Prozent reduzierten Luftwiderstand im Vergleich zu Fahrzeugen mit klassischen Spiegelsystemen.

Dank der verbesserten Aerodynamik können Betreiber den Kraftstoffverbrauch verringern, Hersteller und Anwender melden unisono Werte im einstelligen Prozentbereich – in Summe eine Ersparnis, die sich mit Blick auf die langen Strecken rechnen würde. Und: Beim Fahrerwechsel entfällt das lästige Einstellen der Spiegel.

Erfahrene Busfahrer benötigten nach übereinstimmenden Angaben durchaus Zeit, um sich an die veränderte Sicht auf den Monitor zu gewöhnen. Kritische Stimmen warnen davor, dass der Blick auf den Monitor und das verlängerte Erfassen des Abgebildeten dazu führen könne, länger abgelenkt zu werden.

Hintergrund ist das Scharfstellen, das Auge muss sich bei der neuen Technik auf das, was der Monitor abbildet, fokussieren. Beim klassischen Spiegel sei das einfacher, wie Wissenschaftler anführen, denn das Auge lasse sich mehr oder weniger täuschen und stelle sich nicht auf die Oberfläche des Spiegels ein bzw. dieses scharf.

Die Bildqualität auf dem Monitor muss höchsten Ansprüchen genügen, um akzeptiert zu werden. Die Hersteller der Spiegelersatzsysteme haben die Bildverarbeitungssoftware nach eigenen Angaben weiter vebessert, höchste Farbtreue sei nun selbst bei unterschiedlichsten Lichtverhältnissen gegeben.

Spiegelersatzsysteme erobern die Buswelt. Ähnlich wie bei den Antrieben sind es zuerst die Linienbusse, die statt mit Spiegeln nun mit Kameras und Monitoren vorfahren. Überland- und Reisebusse werden folgen. Und auch die Technik entwickelt sich weiter.

Technische Upgrades sind bereits erfolgt, wird die neue Technik mit dem Rest an Bord vernetzt, dann können die dann durchaus komplexen Systeme zukünftig verschiedene Fahrsituationen erkennen und um Fahrassistenzfunktionen ergänzt werden, wie erste Versuche der Hersteller in diesem Bereich zeigen.

Wie sieht es mit Blick auf das Nach- und Umrüstung aus? Hier gilt natürlich eine Kosten-Nutzen-Aufwand-Rechnung. Kameras samt der nötigen Elektronik einzubauen ist aufwändig und teurer, als klassische Spiegel einfach zu vmontieren. 

Mangels Erfahrungen und Angebote aus der Praxis können hier aber noch keine Aussagen getroffen werden. Auch nicht, ob und wann sich Kameras mit Monitoren als Spiegelersatz durchgesetzt haben werden.  Die Gesetzeshüter sind der Technik gegenüber positiv eingestellt, wie die Zulassungen und Betriebserlaubnisse des Kraftfahrtbundesamtes für diverse Systeme zeigen.

Auch wenn Studien aktuell noch belegen, dass sich eine große Mehrheit der Befragten Fahrzeugführer für die digitalen Spiegel und deren Vorteile aussprechen, wenn sie sich an die Technik gewöhnt haben, jeder Zehnte kommt mit den neuen Spiegeln nicht klar, noch nicht… (omnibus.news/Sr)

Solaris setzt beim Spiegelersatz auf den Hersteller MobilEye. Foto: Solaris

Auch Volvo setzt bei Linien- und Reisebussen schon auf Kamera und Monitor statt Spiegel. Foto: Schreiber

Die Anordnung der Monitore im Ebusco 2.0 gab Transdev vor. Foto: Transdev

Das Spiegelersatzsystem OptiView von MAN gibt es nun auch für alle Modelle der neuen Stadtbusgeneration. Foto: MAN; Montage: omnibus.news

Auch in den USA/Kanada werden Spiegelersatzsysteme angeboten, wie Prevost (unter dem Dach von Volvo Bus) zeigt. Fotos: Prevost, Montage: omnibus.news

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