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Martin Daum weiß um die conoabedingte Schieflage der Reisebusse bei Daimler Buses. Foto: Daimler, Montage: omnibus.news

Till Oberwörder, Leiter Daimler Buses und Vorsitzender der Geschäftsführung der EvoBus GmbH, stellte 2020 mit dem eCitaro G und Intourozwei neue Omnibusse  auf dem hauseigenen Event “Now & Next” vor und versprach für das Jahr 2021 ziemlich aufregende Neuigkeiten. Foto: Schreiber

Das Werk Neu-Ulm wurde 1991 durch die Karl Kässbohrer Fahrzeugwerke GmbH gegründet. Durch die Verschmelzung der Mercedes-Benz Omnibusproduktion mit der Kässbohrer Marke Setra wurde das Werk 1995 Teil von Daimler Buses bzw. der 100-prozentigen Tochtergesellschaft EvoBus GmbH. Foto: Daimler

Daimler Trucks & Buses verzeichnete ein herausforderndes Quartal, so die Aussage des konzerns zur Geschäftsentwicklung im 3. Quartal. Die operative und finanzielle Geschäftsentwicklung war durch Störungen in der Lieferkette hauptsächlich aufgrund des Halbleitermangels beeinflusst. Aber nicht nur das, sondern auch das schleppende Reisebusgeschäft macht Daimler Buses zu schaffen. Der Absatz im 3. Quartal 2021 ging um 8% auf 4.700 (Q3 2020: 5.100) Einheiten zurück.

Das dritte Quartal sei ein „herausforderndes“ für die Bussparte gewesen, teilte Daimler mit. Und das haben auch die Aktionäre der Daimler AG im Blick. Die kennen aber auch das Potential der Bussparte ganz genau, denn im Oktober stimmten sie zu, den Konzern in zwei unabhängige Unternehmen aufzuspalten. Im Dezember wird nun die Lastwagensparte mit den Omnibussen eigenständig und wird in Frankfurt an die Börse gehen. Doch im Zusammenhang mit der Trennung häufen sich bei Daimler Truck gerade in der Bussparte die Probleme. Diese seien, so Martin Daum, Vorstandschef von Daimler Truck im Handelsblatt, auf die anhaltenden Folgen der Corona-Pandemie zurückzuführen.

„Der Reisebus ist in der Tat jenes Segment, das am stärksten von der Coronakrise betroffen war und ist“, machte Martin Daum im Handelsblatt deutlich. „Wir haben im April 2020 auf einen Schlag keinerlei Bestellungen mehr bekommen.“ Das ist bitter, denn im letzten Jahr konnte EvoBus auf 25 erfolgreiche Jahre zurückblicken. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr 2020 geriet Daimlers Bussparte in eine beispiellose Krise.

Neue Fahrzeuge für dieses Reisebus-Segment sind entwickelt und stehen in den Startlöchern, diese für den europäischen Markt jetzt zu präsentieren, macht aber keinen Sinn – ohne Abverkäufe neue Omnibusse in Europa vorzustellen will sich Daimler Buses nicht erlauben. Anders sieht es in den USA aus, der neue Tourrider für den nordamerikanischen Markt wurde vor kurzem gelauncht.

Till Oberwörder verantwortet das weltweite Busgeschäft. Bislang durchaus erfolgsverwöhnt konnte Oberwörder immer gesteigerte Verküfe und positive Zahlen liefern. Doch mit dem Wissen, was entwickelt wurde und auf die Straßen kommen wird gab er sich im September 2020 auf dem hauseigenen “Now & Next”-Event, der IAA-Ersstzpressekonferenz, ganz optimistisch: Neben zwei neuen Omnibussen in 2020 versprach er für 2021 “ziemlich aufregende Neuigkeiten”. Der Tourrider und das Engagement auf dem nordamerikanischen Markt gehört dazu.

Im deutschen Markt der Überlandbusse führt Daimler Buses das Segment an, europaweit ist es der 2. Platz. Für 2023 gibt es deshalb einen Nachfolger des Bestsellers, der neue Setra UL business LowEntry soll vorgestellt werden, wie Till Oberwörder auch schon im letzten Jahr ankündigte. Da Daimler Buses ihn nach den neuen Fahrzeugen des Wettbewerbs präsentiert wird, kann noch an der einen oder anderen Stellschraube gedreht werden, um die vorderen Plätze erfolgreich zu verteidigen. Außerdem dürfte die neue Intouro-Baureihe die MArtkanteile in diesem Segment festigen.

Doch nicht nur die Reisebusse bereiten der Bussparte aktuell gerade Sorgen, sondern auch das boomende Elektrobus-Geschäft läuft nicht rund: Nach einem Brand eines Elektrobusses im Depot der SSB in Stuttgart und zeitweiser Stilllegung von eCitaro-Fahrzeugen mit neuartiger Feststoffbatterie sind Verkehrsbetriebe wie Hersteller auf Spurensuche. Anfang des Jahres gab es eine Rückrufaktion, denn es Bestand die Gefahr der Überhitzung der Fahrzeugbatterie, wie Daimler Buses am eigenen Leib erfahren musste: Ein Elektrobus mit Feststoffbatterie hatte Anfang Februar 2021 im Werk in Mannheim in der Nacht Feuer gefangen. 

Hitzige Diskussionen gabt auch in der Belegschaft in Neu-Ulm, sie hatten Angst vor einer Schließung des Werkes. Der neue Tourrider wird, ebenso wie der angekündigte Nachfolger des Überland-Bestsellers von Setra, im türkischen Werk gebaut. Die Angst einer Werkschließung hat ihnen nun aber Martin Daum genommen. Der Vorstandschef von Daimler Truck und damit auch für die Bussparte verantwortlich hat sich in seinem Interview im Handelsblatt auch zur Zukunft von Evobus in Neu-Ulm geäußert. Auf Nachfrage der Zeitung, ob Daimler das Werk „durchschleppen“ müsse bis die Auftragslage im Bus-Sektor wieder aufwärts gehe, erwiderte Daum, die Setra-Busse seien extrem ertragsstark und das wüssten auch die Investoren.

Gut ein Jahr lang waren die Mitarbeiter im Neu-Ulmer Werk in Kurzarbeit, seit dem 1. September ist diese beendet. Das Bus-Werk in Neu-Ulm solle trotz der anhaltenden Krise jedoch nicht aufgegeben werden, sagte Martin Daum in seinem Interview und ergänzte: „Wir sind sicher, dass wieder sehr gute, sonnige Zeiten kommen werden.“ Setra habe eine lange Tradition, die Daimler fortführen will, sagte Daum. „Mit Nostalgie alleine dürften Sie Ihre Investoren aber nicht vom Erhalt des Werks überzeugen können“, so die spitze Antwort der Redakteure auf Daums Aussage.

“Es wird wieder aufwärts gehen, aber das wird noch eine zeitlang dauern”, wird Daum im Handelsblatt zitiert. Womöglich könnten Jahre vergehen. Um das Neu-Ulmer Werk mit seinen rund 3.900 Mitarbeitern auszulasten, wurde u.a. die Montage von Komponenten von anderen Standorten nach Neu-Ulm verlagert. Außerdem werden in Neu-Ulm auch Busse von anderen Standorten lackiert und Sitze hergestellt. Im Frühjahr sagte Till Oberwörder gegenüber dem SWR auf die Frage, ob man den Standort Neu-Ulm aus dem Produktionsnetzwerk rausnehmen werde? “Die Antwort ist: nein.”

In Neu-Ulm sind das Entwicklungszentrum für Sicherheits- und Assistenzsysteme, der Versuch für Integralfahrzeuge und der Bereich „Customer Services & Parts“ mit dem Kompetenzcenter für 3D-Druckteile für die Marken Mercedes-Benz und Setra beheimatet. Im Setra Kundencenter finden Bus-Übergaben statt und im Designcenter werden Kunden bei der Innenraumgestaltung sowie beim Außendesign ihrer Busse beraten.

Arbeitszeitverkürzungen und Abfindungsvereinbarungen, die im letzten Jahr durchgeführt wurden, seien mit dem Betriebsrat abgestimmt. Außerdem besteht für die Mitarbeiter in Neu-Ulm eine Beschäftigungssicherung bis ins Jahr 2024. Die Gewerkschaft IG Metall geht aktuell davon aus, dass diese Bestand habe. Oberwörder ging im letzten Jahr davon aus, dass die Situation des geringen Abverkaufs von Reisebussen auch im Jahr 2021 auf den weltweiten Busmärkten angespannt bleiben werde. Er könne sich aber vorstellen, dass Reiseunternehmen nach der Corona-Pandemie ihre vor der Krise geplanten Neuanschaffungen nachholen werden. (Daimler/Handeslblatt/omnibus.news/Sr)

 

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