Der Reformationstag ist ein Feiertag der evangelischen Kirche und für Protestanten auf der ganzen Welt von Bedeutung. 2017 war der Reformationstag der Höhepunkt des 500-jährigen Reformationsjubiläums mit zahlreichen Festveranstaltungen in ganz Deutschland und den zentralen Feierlichkeiten in Wittenberg. Der Reformationstag am 31. Oktober ist seit der deutschen Wiedervereinigung gesetzlicher Feiertag in den deutschen Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Doch warum blicken wir heute noch auf diesen einen Tag des Jahres 1517? Martin Luther soll seine 95 Thesen an das Tor der Schlosskirche in Wittenberg geschlagen haben, in denen er Missstände in der Kirche anprangerte und deren Erneuerung einforderte. Der Thesenanschlag gilt als Auftakt der Reformation, die in ihren Auswirkungen auf Politik, Religion, Kultur und Gesellschaft bis heute von weltgeschichtlicher Bedeutung ist. Das Vermächtnis Martin Luthers reicht weit über kirchliche Veränderungen hinaus. Durch seine Übersetzung der Bibel in eine allgemein verständliche und volksnahe Fassung bereitete Luther zum Beispiel den Boden für eine einheitliche deutsche Schriftsprache.
Sie ist Kern unserer Identität und bis heute gemeinschaftsstiftend, gerade in unserer pluralistischen Gesellschaft. Luther forderte, dass jeder Zugang zu Gottes Wort haben müsse. Das bedeutete, der Zugang zu – zunächst biblischen – Informationen war nicht mehr von Vermittlern abhängig. Das damit verbundene Gebot der Überprüfbarkeit von Aussagen begünstigte eine neue Dialog- und Wissenskultur. Die Bildung breiter Schichten bekam infolge der Reformation einen höheren Stellenwert – wichtige Voraussetzung für den mündigen Bürger unserer Tage und ein enormer Schub für die Entwicklung von Wissenschaft und Kunst.
Diese Entwicklungen stärkten das bürgerliche Selbstbewusstsein. Darüber hinaus wies Martin Luther den Weg zum Menschenbild der Frühmoderne, schreibt die Bundesregierung in einer Pressemitteilung. Und weiter: Als Luther sich auf dem Wormser Reichstag 1521 dem Diktat von Kaiser und Papst widersetzte, berief er sich auf die Heilige Schrift und sein Gewissen. Damit setzte er der weltlichen und geistlichen Macht Grenzen. Vor allem aber betonte er die Gewissensfreiheit, die Urteilskraft sowie die Eigenverantwortung des Einzelnen. Diese Beispiele belegen die enorme geistige und politische Prägekraft der Reformation.
Die sozialen, kulturellen und politischen Langzeitwirkungen der 95 Thesen können Luther damals nicht bewusst gewesen sein. Der Historiker Heinz Schilling bringt es auf den Punkt: “Luther wurde wider Willen zum Geburtshelfer der pluralistischen und liberalen Moderne, nur indirekt und gegen seine Intention trug er zum Aufstieg von Toleranz, Pluralismus, Liberalismus und Wirtschaftsgesellschaft der Moderne bei.” Man tut also gut daran, ihn als Person nicht zu überhöhen. Insbesondere sein abstoßender Antijudaismus sollte nicht in Vergessenheit geraten. Und: Der Tag selbst ist unter Historikern übrigens umstritten, denn diese sind sich nicht einig darüber, ob Luther seine 95 Thesen wirklich am 31.10.1517 an die Schlosskirche geschlagen hat. (Luther2017/PM/Sr)