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Der HEAT (Hamburg Electric Autonomous Transportation), das deutschlandweit einmalige Forschungs- und Entwicklungsprojekt zur Integration eines autonomen Shuttlebusses in den regulären Straßenverkehr, ist nach vier Jahren mit einem positiven Fazit beendet worden. Foto: Hochbahn

Mit dem Abschluss des Fahrgastbetriebes am vergangenen Wochenende endet nach vier Jahren planmäßig auch die letzte aktive Phase des Forschungs- und Entwicklungsprojektes HEAT. Bis zum Jahresende werden die Ergebnisse der letzten Projektphase mit dem Fahrgastbetrieb des autonomen Kleinbusses ausgewertet. Dafür geht das Fahrzeug zum IAV-Standort nach Gifhorn. Aber schon heute ist klar: Das Projekt hat wertvolle Erkenntnisse für das Forschungsfeld des autonomen Fahrens in einem urbanen Umfeld geliefert. Kernziel war die Beantwortung der Frage, ob autonome Kleinbusse sich für den Einsatz im ÖPNV eignen und akzeptiert werden. Erstes Fazit: Es ist möglich, einen Kleinbus auf einer festgelegten Strecke im Mischverkehr für den Fahrgastbetrieb einzusetzen.

Henrik Falk, Vorstandsvorsitzender der Hochbahn: „Autonom fahrende Busse können in der Zukunft ein wichtiger Baustein sein, um das Angebot von Bus und Bahn zu ergänzen – gerade in Tagesrandzeiten sowie in Quartieren, die bislang noch nicht so gut erschlossen sind.“ In den vergangenen zwei Monaten konnten Fahrgäste autonomes Fahren in der HafenCity selbst erleben und auf dem knapp zwei Kilometer langen Rundkurs mit fünf Haltestellen im Fahrzeug mitfahren. Knapp 1.400 Interessierte nutzten die Chance, darunter auch rund 200 ITS-Kongressbesucher aus aller Welt. Aufgrund der aktuellen Hygienebestimmungen war die Mitfahrt von bis zu drei Personen zeitgleich möglich. Voraussetzung für die Mitfahrt war lediglich die Registrierung per App sowie das Tragen einer medizinischen Maske.

Das internationale Fachpublikum interessierte sich besonders für das in dieser Form einzigartige Gesamtsystem zum autonomen Fahren im Projekt, welches aus drei Komponenten besteht: Fahrzeugsensorik, stationäre Umfelderfassung und HD-Karte. Das von IAV entwickelte Fahrzeug nutzte zur direkten Umfeldwahrnehmung Radar- und Lidar-Sensoren sowie Kameras. Darüber hinaus griff das Fahrzeug auf die von Siemens Mobility entwickelte und durch Hamburg Verkehrsanlagen (HHVA) implementierte Streckeninfrastruktur (Radar, Lidar) zur erweiterten Umfelderfassung sowie digitalen Bereitstellung von Zustandsdaten an signalisierten Kreuzungen zu. Weiterhin nutzte es die von der Freien und Hansestadt Hamburg zur Verfügung gestellte und auf wenige Zentimeter genaue HD-Karte über die aktuelle Strecke.

Durch das Zusammenspiel konnte der autonome Kleinbus unter anderem automatisiert abbiegen, Hindernisse umfahren, signalisierte und nicht signalisierte Kreuzungen passieren, war mit bis zu 25 km/h unterwegs und fügte sich so in den fließenden Verkehr der HafenCity ein. Inwiefern eine ergänzende straßenseitige Infrastruktur bei einem breiteren Einsatz von autonomen Kleinbussen in größeren Gebieten erforderlich und realisierbar wäre, wird in Folgeprojekten zu bewerten sein.

Größte Herausforderung im aktuellen Projekt war die laufende Bewältigung innerstädtischer Verkehrssituationen, insbesondere mit Blick auf Falschparker und Lieferwagen. In der HafenCity gibt es begrenzte Haltemöglichkeiten, Lieferwagen stehen häufig in zweiter Reihe. In den ersten Betriebsphasen war dies der häufigste Grund für manuelle Eingriffe. Daher erwies sich die Automatisierung von Überhol- und Ausweichmanövern in der letzten Projektphase als wesentliche Verbesserung. Der Einsatz des Prototyps gestaltete sich erwartungsgemäß aufwendig, da in kürzeren Zeitabständen Wartungsmaßnahmen erforderlich waren. Aufgrund der Präsenz der Projektpartner in Hamburg führte dies jedoch nur selten zu einer Beeinträchtigung des Fahrgastbetriebs.

Eine spannende Erkenntnis mit Blick auf die Rolle des Fahrzeugbegleiters und der Leitstelle ergab sich aus dem laufenden Betrieb und Verhalten der Fahrgäste. Ganz überwiegend begegneten Passagiere dem Projekt mit Neugierde und Interesse. Gleichzeitig fiel auf, dass der Kontakt zum Begleiter als wichtig empfunden wurde, selbst wenn dieser keine aktive Rolle beim Fahren hatte – gerade beim ersten Ausprobieren der neuen Technologie. Ob die alleinige Verbindung zur Leitstelle den Informationsbedarf decken könnte und welche zusätzlichen Aufgaben sich daraus an dieser Stelle ergeben würden, muss weiter analysiert werden.

Diese Frage wäre auch aus rechtlicher Sicht zu beantworten. Mit dem im Juli in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Pflichtversicherungsgesetzes werden in Deutschland zum erstem Mal die Möglichkeiten der Erprobung und des Betriebes automatisierter Fahrzeuge ohne Fahrer in fest definierten Bereichen eröffnet – u.a. mit Einführung der Rolle der technischen Aufsicht. Entsprechend werden Definition und Testung der Rolle und Funktionen der Leitstelle erforderlich. Beispiele wären die Kommunikation mit dem Fahrgastraum, die automatisierte Fahrgastzählung sowie gegebenenfalls erforderliche Eingriffe aus der Leitstelle. Die Projektpartner und die Hochbahn als Gesamtprojektleitung bewerten die Ergebnisse des Forschungs- und Entwicklungsprojektes hinsichtlich der gewonnenen Erkenntnisse schon jetzt als Erfolg. Das Projekt HEAT selbst wird plangemäß zum Ende des Jahres abgeschlossen, mit den Einsatzmöglichkeiten autonomer Fahrzeuge wird sich die Hochbahn auch 2022 weiter beschäftigen. (IAV/Hochbahn/PM/Sr)

 

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