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Ein spannendes Stück Busgeschichte im kleinen Maßstab: Der O 305 HLZ. Foto: van Unen

…agir local! Mit dem neuesten Modellbus aus der französischen Kiosk-Sammelserie Autobus et Autocars du Monde des Hachette-Verlages kommt ein kleines bisschen Lokalpatriotismus in die Buswelt. Anfang der 70er Jahre erschien in Frankreich der neue Stadtbus Berliet PR100. Mit ansprechendem Design und niedriger Fußbodenhöhe war der Berliet durchaus eine moderne Konstruktion, wie Konrad Pernetta vom Modellbusmarkt Oberammergau berichtet. Doch mangels eines eigenen passenden Antriebsmotor verbaute man einen Perkins V8.510 Diesel, der sonst in Mähdrescher oder landwirtschaftlichen Zugmaschinen Verwendung fand. Diese kurzhubige, schnelldrehende Konstruktion erwies sich aber für Stadtbusse wenig geignet, denn sie war nicht nur zu durstig, sondern auch viel zu laut. So schauten sich verschiedene französische Städte nach Alternativen um. Und, wen wundert es, schon der Urahn des Citaro wussten zu überzeugen: Die Wahl viel auf den Mercedes-Benz O 305. Und das, obwohl er einen höheren Wagenboden hatte – beim O 305 überzeugten der kräftige Antritt, der ruhige Lauf und die Sparsamkeit. Bis 1973 war bereits eine größere Anzahl O 305 in fünf Städten im Einsatz, so beispielsweise auch im westfranzösischen Nantes. Doch angesichts der „deutschen Invasion“ wurden Proteste laut, man möge doch für die öffentlche Hand die einheimischen Produkte kaufen. Heute würde man das mit “penser global, agir local” umschreiben, also global denken und lokal handeln. Seinerzeit war es der Bürgermeister von Nantes, der die Proteste hörte. Er stimmte seinen Landsleuten zu, sie hatten ja irgendwie Recht. Kurzerhand setzte er sich mit der benachbarten Firma Heuliez in Verbindung. Er überzeugte diesen Bushersteller auch irgendwie, einen Abkommen mit Mercedes-Benz zu treffen. Bei Heuliez, einst Frankreichs angesehenster Karosseriehersteller und heute die Schmiede für besondere Omnibusse in der Iveco Bussparte, wurde man sich mit den Stuttgarter schnell handelseinig. Es folgte eine fruchtbare und erfolgreiche Zusammenarbeit. Bereits 1977 stand das Ergebnis dieser Kooperation auf der Pariser Transport Expo, eine auf die Bodengruppe des O 305 von Mercedes-Benz in Frankreich hergestellte Karosserie. Nur Kennern fiel auf, dass diese nur in Details vom Original abwich: So hatte der Heuliez O 305 ein höheres Dach, eckige Scheinwerfer und stabilere, gummibewehrte Stoßstangen. Spätestens an dieser Stelle wird das “penser global, agir local” wieder deutlich, denn wer einmal in einer französischen Großstadt gesehen hat, wie Franzosen versuchen einzuparken, der weiß um die Bedeutung dieser Sonderausstattung… Noch etwas war neu beim Heuliez O 305: Die hinteren Eckfenster entfielen, dafür wurde ein größeres Heckfenster montiert. An Stelle des Stern prangte an der Frontmaske jetzt das Monogramm von Heuliez. Mit einer Wertschöpfung von 80% erfüllte der O 305 HLZ, wie er jetzt hieß, die Vorgaben, als ein heimisches Produkt anerkannt zu werden. Über 600 Exemplare wurden anfranzösische Verkehrsbetriebe ausgeliefert. Die gleiche Menge des später eingeführten Gelenkbus O 305G HLZ kam ebenfalls in vielen Städte zum Einsatz. Somit wurden der O 305 HLZ und der O 305G HLZ zum größten Konkurrenten des einheimischen Renault PR 100 und PR 180. Im Jahr 1984, mit der Wahl eines neuen Präsidenten, wurde, wie Insider von Heuliez berichten,  durch die Politik enorm Druck auf Heuliez ausgeübt. Man möge die Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz beenden. Die O 305-Geschichte war damit aber noch nicht zu Ende: Heuliez, jetzt als vollwertiger Bushersteller anerkannt, hatte bereits eigene, moderne Typen im Programm, nämlich den GX107 und GX187. Die Stadt Nantes, die 1990 gerade eine neues Tram-System installiert hatte, konnte es sich nicht leisten, dazu auch neue Omnibusse zu kaufen. Da erteilte man Heuliez den Auftrag, die alten O 305 aufzuarbeiten. Die betagten Aufbauten wurden verschrottet und auf die O 305-Fahrgestelle wurden die modernen Karosserien des GX 107 (solo) und GX 187 (Gelenk) gesetzt. Über 180 Mercedes-Benz O 305 und O 305G erheilten auf diese Weise ein neues Leben und waren bis in das neue Jahrtausend im Einsatz!

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