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Parkett oder Loge, schon beim Setra ST 110 eine Frage… Foto: Setra

Kässbohrer hat insgesamt nur rund 80 Exemplare des Setra ST 110 gebaut. Foto: Setra

Parkett oder Loge hat bei Setra Tradition. Auch wenn man mit diesen Wörter die neue 500er MultiClass-Baureihe in LE-Ausführung in Verbindung bringt, ein Setra ST 110 war der erste Linienbus aus Ulm mit serienmäßiger Luftfederung. Und einer von nur zwei Busmodellen überhaupt, die mehr Nutzlast als Leergewicht aufweisen konnten. Eines der wenigen erhaltenen Exemplare – fast wäre es auf dem Schrottplatz gelandet – findet sich heute in der werkseigenen Oldtimer-Sammlung in Neu-Ulm.

Die Traditionsmarke weiß um ihre Werte und hat dafür unter dem Dach von Daimler Buses eigens den Bereich SetraClassic mit dem Kässbohrer Haus, der Kässbohrer Halle mit der historischen Fahrzeugsammlung und dem Setra Markenarchiv geschaffen. In der Kässbohrer Halle auf dem Werksgelände in der Neu-Ulmer Otto-Hahn-Straße ist die historische Fahrzeugsammlung von Setra untergebracht. Die Oldtimer sind die Botschafter der Marke und eine Art rollende Tradition.

25 Fahrzeuge umfasst die Sammlung, davon 17 Busse, zwei Anhänger, ein Pkw und fünf Kutschen – alle, bis auf den Pkw, aus Kässbohrer-Produktion. Der Setra ST 110 hatte nach Jahren als Spielmobil in Zweibrücken, wo er ohne Motor, ohne Getriebe und ohne Inneneinrichtung von Spielplatz zu Spielplatz gezogen wurde, endgültig ausgedient. Doch glückliche Umstände und die Vermittlung des Kunden Autokraft Kiel führten dazu, dass der Leichtbau-Linienbus den Weg zurück nach Ulm und in die Setra Oldtimer-Sammlung fand.

Der Oldtimer kam antriebslos nach Ulm, doch wie es der Zufall so will, fand sich in den Tiefen des Service-Ersatzteillagers ein längst vergessener, fabrikneuer Originalmotor, mit dem das Setra Service-Team dem ST 110 wieder neues Leben einhauchte. Unzählige Arbeitsstunden, viel Geschick und eine gehörige Portion Improvisationskunst des Setra Service-Teams waren nötig, um die verwitterte Karosse über Jahre hinweg wieder in einen Zustand zu versetzen, der der historischen Bedeutung dieses seltenen Fahrzeugs gerecht wird. Obwohl Kässbohrer insgesamt nur rund 80 Exemplare des Setra ST 110 gebaut hat, ist dieses Modell doch ein Meilenstein in der Geschichte des Omnibusbaus.

Die konstruktiven und wirtschaftlichen Vorteile dieses Linienbusmodells, das auf eine Gemeinschaftsentwicklung von Kässbohrer mit dem Oldenburger Busunternehmer und Konstrukteur Theodor Pekol zurückgeht, sind noch heute so beeindruckend wie zur Geburtsstunde des ST 110 im Jahr 1958. So wiegt dieser Bus nur rund 6.000 Kilogramm, verfügt aber über eine Nutzlast von 7.500 Kilogramm – ein Verhältnis, das seither unerreicht blieb. Übrigens: 7.500 Kilogramm Nutzlast entsprechen umgerechnet einer Kapazität von 110 Passagieren – daher die Typenbezeichnung.

Verantwortlich für das Kunststück mit dem niedrigen Leergewicht ist unter anderem die leichte Karosserie in Aluminium-Schalenbauweise, bei der auf Ringspanten aus Leichtmetall eine Beplankung aus Aluminiumblech aufgenietet wurde. Der ST 110 in der Setra Oldtimer-Sammlung zeigt daher auch heute noch die typischen Nietpunkte, die wie pickelige Narben regelmäßige Linien über die dunkelrotlackierten Flanken ziehen. Dass das Sammlerstück mit der Fahrgestellnummer 59068 heute ein bahnrotes Kleid samt Signets der damaligen Deutschen Bundesbahn trägt, entspricht zwar nicht dem Auslieferzustand, ist aber eine Verbeugung vor dem größten Abnehmer für diesen Typ.

Ein weiterer konstruktiver Meilenstein und zusätzlicher Faktor für das sensationell niedrige Eigengewicht war das aufwändige Fahrwerk: Eine Einzelradaufhängung sowohl an der Vorder- wie auch an der Hinterachse ermöglichte eine Einzelbereifung der Antriebsachse. Die Einzelradaufhängung bot zudem einen unerreicht hohen Fahrkomfort. Noch dazu, weil sie erstmals in einem Omnibus serienmäßig über eine Luftfederung an beiden Achsen verfügte. Busfahrer und Fahrgäste waren daher voll des Lobes für den Leichtbau Setra.

Ein niedriger Einstieg über nur eine Stufe an beiden Türen erleichtert beim ST 110 den Zugang zum Fahrgastraum. Der großzügige Innenraum mit seinem bis zur Hinterachse durchgängig ebenen Fußboden und der einsitzigen Bestuhlung entlang der Seitenwände wirkt einladend und weit voluminöser, als er bei 10,58 Meter Länge und 2,50 Meter Breite tatsächlich ist. Heute werkelt im Heck des restaurierten ST 110 wieder ein liegend eingebauter Henschel Sechszylinder des Typs 522 DPU-K mit 92 kW (125 PS).(Setra/omnibus.news/Sr)

Unzählige Arbeitsstunden, viel Geschick und eine gehörige Portion Improvisationskunst des Setra Service-Teams lassen auch den Fahrerplatz wieder erstrahlen. Foto: Setra

In der Kässbohrer Halle auf dem Werksgelände in der Neu-Ulmer Otto-Hahn-Straße ist die historische Fahrzeugsammlung von Setra untergebracht. Foto: Setra

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