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Die bunten Colectivos prägten das Straßenbild Südamerikas bis in die 1980er Jahre. Foto: Mercedes-Benz

Auch bei der Gestaltung des Fahrgastraumes folgten die Busunternehmer ihren indivduellen Vorlieben. Foto: Mercedes-Benz

Nostalgie pur: Fahrscheine aus einer längst vergangenen Ära. Foto: Mercedes-Benz

Die Mercedes-Benz Argentinien S.A. wurde am 6 September 1951 gegründet und startete bereits wenige Monate später die Produktion im San Martin Werk. In diesem Jahr kann man den 70sten Geburtstag des ersten Produktionswerks außerhalb Deutschlands feiern. Auch wenn aktuell nur noch Fahrgstelle gefertigt werden, die Argentinier schwelgen gerne in Erinnerung und das Thema Mercedes-Benz in Argentinien ist dabei eng mit den Colectivos verknüpft. Jeder, der schon einmal das Mercedes-Benz Museum in Stuttgart besucht hat, konnte einen kultigen Kurzhauber-Omnibus sehen. Als Colectivos wurden die Omnibusse für den öffentlichen Personennahverkehr in Argentinien bezeichnet, weil die Busunternehmer sozusagen gemeinsame Sache machten. Da es keinen städtischen Verkehrsbetrieb gab, der ein entsprechendes Liniennetz vorhielt, schlossen sich Busunternehmer mit jeweils einem Bus zusammen, um eine Linie bedienen zu können. Schnell etablierte sich ein System, was angenommen wurde, denn es gab jetzt auch Linien, die zu festen zeiten bedient wurden – gemeinsam, was dann die Bezeichnung Colectivos erklärt. Bis heute haben sich die markanten Omnibusse ihren eigenen Charme bewahrt, neben dem legendären roten Doppeldecker aus Londoin und den gelben Schulbussen aus Amerikazählen die Colectivos zu den wenigen Buslegenden, die weltweit Ansehen genießen. Auch wenn sie von den Straßen Südamerikas längst verschwunden sind, wenn man einen Argentinier auf Colectivos anspricht, scheinen sie in seinen Berichten sofort lebendig zu werden. Das Aus für die Colectivos besiegelte die argentinische Firma El Detalle mit einem 1987 vorgestellten Linienbus, der nicht nur wegen des Heckmotors, sondern auch mit dem schachtelförmigen Konzept eine neue Ära einleitete. Auch Mercedes-Benz selbst legte nach und bot ab 1988 das Chassis OH-1314 für Aufbauer an, spätestens jetzt wurde deutlich, dass es keine neuen Colectivos mehr geben würde. Nachdem jahrelang verschiedene Fahrzeuge umgebaut wurden, begann das Zeitalter der Colectivos, so wie man sie heute noch kennt, in den 50er mit Mercedes-Benz. Mit dem Bau des Werkes in Argentinien wurden dann ab 1952 auch Busfahrgestelle und Komplettbusse gefertigt, die die Straßen jahrzehntelang geprägt haben. Als Mercedes-Benz vor zehn Jahren den 60. Geburtstag des Werkes feierte waren weit über 100.000 Omnibusse und Fahrgstelle vom Band gelaufen. Vor 50 Jahren begann die Produktion des Modells LO 1114. Auch wenn dieser Bus nicht mehr hergestellt wird, für viele Argentinier ist er eine rollende Ikone und die südamerikanischen Busfans haben ein freudiges Strahlen im Gesicht, wenn sie von der markanten Silhouette, den vielen Farben, den doch so schön runden Kotflügeln und einer Fahrt in einem der Collectivos berichten. Hector Prieto, der seinen Omnibus dem Mercedes-Benz Museum übergeben hat, begann wie viele seine Landsleute mit eben einem solchen Bus seine Karriere als Busunternehmer. Und auch er lackierte seinen Bus bunt und verzierte ihn im Inneren mit Glückbringern und Andenken. Der ausgestellte Kurzhauber-Omnibus vom Typ LO 1112 stammt aus dem Produktionsjahr 1969. Er war in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires im Einsatz, wo damals schon täglich mehr als 14.000 Busse verkehrten. Die Omnibuslinien wurden und werden von privaten Busunternehmen betrieben. Damals besaßen viele von ihnen nur ein einziges Fahrzeug. Um die Fahrgäste an Bord zu holen, musste man sich etwas einfallen lassen, jede Lackierung der Colectivos folgte – wie auch der Fahrgastraum – ganz eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen. Im Mercedes-Benz Werk in Buenos Aires wurde damals für Hector Prieto im Jahr 1969 auf ein in Deutschland gefertiges Fahrgestell die landestypische Omnibus-Karosserie gesetzt. Auch sein Colectivo war fertig. Fast 30 Jahre lang fuhr er Fahrgäste damit durch Buenos Aires. Das Modell LO1112 steht übrigens für L für Lastwagen, O für Omnibus sowie für 11 Tonnen Gesamtgewicht sowie der Zahl 12 für 120 PS. Vor 50 Jahren begann dann die Produktion des Modells LO 1114, der vollständig vor Ort in Argentinien entwickelt worden war. Als Basis dienten Motor und Fahrgestell des L 1114, der bereits in Argentinien in der Produktion war. Während der Produktionszeit des LO 1114, die im Jahre 1988 endete, wurden mehr als 29.000 Exemplare hergestellt. Auch wenn dieses Fahrzeugmodell für den heimischen Markt vorgesehen war, wurde er auch in andere lateinamerikanische Länder exportiert, darunter Paraguay, Chile, Uruguay und Bolivien. Seit seiner Markteinführung habe der technisch innovative Omnibus herausragende Verkaufserfolge erzielt, wie Mitarbeiter von Mercedes-Benz aus Argentinien beim Schwelgen über Collectiovos berichten. Er wäre bei mehr als 90% der Transportunternehmen des Landes aufgrund seiner hervorragenden Leistungs- und Qualitätsmerkmale im Einsatz gewesen, so die Augenzeugen weiter. Mit Tausenden von Exemplaren, die im ganzen Lande unterwegs waren und Abermillionen von Passagieren beförderten, wurde der LO 1114 zu einer echten rollenden Legende. Der LO 1114 wurde mit drei verschiedenen Radständen (4.200 mm, 4.830 mm und 5.170 mm) hergestellt. Ausgestattet mit einem Motor mit Diesel-Direkteinspritzung und 5.675 cm³ Hubraum, 145 PS und 370 Nm bei 2.800 U/min sei der Bus für Stadtverkehr ideal ausgestattet gewesen, so die Argentinier. Während des gesamten Produktionszeitraumes gab es zwei Varianten des Schaltgetriebes. Beide hatten fünf Gänge und einen Rückwärtsgang, ursprünglich hatte das Schaltgetriebe vom Typ G3/36 ein Übersetzungsverhältnis von 8,98:1. Das nachfolgende Getriebe vom Typ G3/40 hatte ein Übersetzungsverhältnis von 7,5:1 und sei somit noch robuster als der Vorgänger (max. Drehmomentaufnahme 400 Nm gegenüber 360 Nm beim Vorgängermodell) gewesen. 1982 wurde eine Variante mit Dreigang-Automatik auf den Markt gebracht. Das Hauptproduktionsvolumen entfiel jedoch weiterhin auf die Variante mit Schaltgetriebe, wie Mercedes-Benz aus dem Zahlenwerk der argentinischen Chronik zu berichten weiß. Anders als der L 1114, der mit einer Zweigang-Hinterachse (hoch und niedrig) ausgestattet war, verwendete der LO 1114 eine von Mercedes-Benz entwickelte und gefertigte Achse mit der Typenbezeichnung HL4/24 D-7,6 mit einem Verhältnis von Wahlweise 40:7 oder 49:7 und einer Achslast von 7,6 Tonnen. Die starre Vorderachse hatte hingegen eine Achslast von 5 Tonnen. Das hydraulische Bremssystem wurde während der Produktion durch eine Druckluftbremse ersetzt. Die Betriebsbremse konnte für die einzelnen Achsen unabhängig eingesetzt werden, während die Federspeicherfeststellbremse pneumatisch gelöst werden konnte. Das gesamte System wurde mit einem Schutzventil betrieben, das einen entscheidenden Vorteil hatte: wenn ein Teilbereich ausfiel, konnte dieser vom Rest des Systems entkoppelt werden, das somit weiter funktionsfähig blieb. Dieses Sicherheitskonzept kommt noch immer in den Bremssystemen der Lastkraftwagen und Omnibusse von Mercedes-Benz zum Einsatz. (DaimlerBuses/ElDetalle/Prieto/PM/Rüdiger Schreiber)

Selbst die gestaltungs des Fahrerplatzes folgten dem persönlichen Geschmack. Foto: Mercedes-Benz

Kein Detail blieb ohne Verzierung… Foto: Mercedes-Benz

Einen Colectivo auf LO 1112-Basis hat Mercedes-Benz im Museum in Stuttgart ausgestellt. Foto: Mercedes-Benz

 

 

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