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Londons Elektrobusse bekommen erhalten ein eigens komponiertes Geräusch. Foto: Schreiber, Montage: omnibus.news

Nominierungen und Auszeichnungen am laufenden Band, dazu einen Kundenliste, die das Who’s Who der automobilen Welt spiegelt – keine Frage, Zelig Sound aus London ist eine der Schmieden, die meisterhaft die Töne kreieren, die unser Leben prägen. Jetzt haben der Komponist und Sound Designer Matthew Wilcock und die Komponistin sowie begnadete Pianokünstlerin Aleah Morrison-Basu auch noch die Töne für die Elektrobusse von Transport for London komponiert. Nicht einfach ein Ding-Dong oder eine profane Klingeln, nein für die aktuell gut 200 Elektrobusse in London gibt es ab diesem Jahr ganz neue, futuristischen Töne. So können die Stromer besser beim Stehen und Anfahren besser gehört bzw. wahrgenommen werden. Das Motto von Wilcock und Morrison-Basu: „Modern aber zeitlos, etwas, das du noch nie gehört hast, aber auch etwas, was sich vertraut anfühlt“, so die beiden kreativen Köpfe hinter dem Klangerlebnis. Das, was die beiden Briten machen, kommt an, die Automobilindustrie gibt sich nicht erst im Zeitalter des Aufkeimens von Elektromobilität bei ihnen die Klinke in die Hand. Hinter dem Ansinnen von Transport for London steht wieder einmal eine europäische Vorgabe: Die Nr. 540/2014 der Vorgaben der europäischen Union verpflichtet Hersteller von Hybridelektro- und reinen Elektrofahrzeugen – bis hin zu Brennstoffzellenfahrzeugen – dazu, ein akustisches Warnsignal zum Schutz von Fußgängern zu verbauen. Omnibushersteller tüfteln bereits seit geraumer Zeit am Sound ihrer rein elektrisch angetriebenen Busse und haben vereinzelt sogar auch extra Musiker engagiert, die ihnen die abhandengekommenen Motorengeräusche sozusagen neu komponieren. Sie haben, so wie das Team von Zelig Sound, weitestgehend künstlerische Freiheit, die EU schreibt lediglich ein paar Mindestangaben vor: Das Geräusch für Elektrofahrzuge selbst müsse mit dem eines mit einem Verbrennungsmotor ausgestatteten Fahrzeugs der gleichen Klasse vergleichbar sein. Genauso klingen wie ein Dieselbus müsse es aber nicht. Und: Musikstücke dürfen es auch nicht sein… Wichtig: das Geräusch des Elektrobusses muss vom menschlichen Gehör gut aus der normalen Geräuschkulisse der Umgebung herausgefiltert werden können. Zukünftig werden wir also eine bestimmte Marke an ihrem Geräusch (wieder)erkennen. Wie schon die Designs der Karosserien sollen sich auch die Geräusche von Hersteller zu Hersteller unterscheiden. Das so genannte Acoustic Vehicle Alerting Systems (AVAS) muss nach Erkenntnisse der Brüsseler Verkehrsexperten im Geschwindigkeitsbereich zwischen dem Anfahren und einer Geschwindigkeit von etwa 20 Kilometer pro Stunde sowie beim Rückwärtsfahren automatisch erzeugt werden. Vorgabe ist minimal ein Dauer-Schallzeichen, es geht aber auch anders, wie Transport for London zeigt. Wie man bei Zelig Sound weiß und verrät, sind die besten Geräusche die, die sich im mittleren Frequenzbereich abspielen. Warum? Weil zu hohe Frequenzen von älteren Menschen oft nicht mehr wahrgenommen werden. Außerdem seien sehr tiefe Frequenzen schwierig abzustrahlen, so die Geräuschkomponisten. Dafür müssten zudem auch die Lautsprecher am Bus sehr groß sein. Neben der Frequenz sei aber auch die Klangfarbe wichtig: Manches klinge in den Ohren – nicht nur der Briten – erst dann so richtig gut, wenn dahinter ein ganzes Orchester stehe. Das hat Zelig Sound zwar nicht im Studio, aber entsprechende Computer. Mit deren Hilfe wurde für den Verkehrsbetrieb und dessen Elektrobusse einen Geräusch, das nur aus einem einzigen Akkord, dafür aber mit einem pulsierenden Geräusch im Hintergrund besteht, entwickelt. Mit einem musikalischen Ohr betrachtet ist die Basisnote ein leiser Fmaj7-Akkord, der im Hintergrund mit einem dezenten aber deutlich wahrnehmbaren pulsierenden Klang unterlegt wurde. Beruhigend, passend zu einem Elektrobus, der steht, keine Frage! Nimmt der Elektrobus seine Fahrt auf, dann wird es rhythmisch und eine weitere Note wird angespielt. Der Akkord wird alle drei Schläge durch ein Cis verbunden, um das Dynamische oder besser die Bewegung noch zu verstärken. Woe, wie passend, klingt gut und Wilcock sowie Morrrison-Basu haben wieder einmal ganze Arbeit geleistet! Ab 20 km/h verstummt aber die künstliche Geräuscherzeugung, die bis zu 56 dB erreicht. Und warum gibt es nur bis Tempo 20 etwas zu hören? Weil ab höheren Geschwindigkeiten die Abrollgeräusche der Reifen selbst bei modernen Verbrennerfahrzeugen den eigentlichen Motorenklang übertönen, so die Anmerkung zur Vorgabe aus Brüssel. Momentmal, da war doch der Brexit!? Ja, trotz Brexit wird Transport for London alle Elektrobusse mit einem AVAS ausstatten, um die hauseigenen Sicherheitsstandards zu erfüllen. Ein Ziel ist klar: TfL will bis 2041 keine Todesfälle oder schwere Verletzungen mehr in Zusammenhang mit den elektrischen Linienbussen auf Londons Straßen haben. Der Traum von leisen Städten muss weitergeträumt werden, der EU-Verordnung Nr. 540/2014 sei Dank. Denn so ganz lautlos wie es werbewirksam suggeriert wird, sind Elektrobusse in Zukunft dann doch nicht. Erst recht nicht, wenn mehrere nebeneinander fahren oder auch einfach nur nebeneinander stehen. Die Zeiten des lautlosen Dahingleitens sind definitiv vorbei. (omnibus.news/Rüdiger Schreiber)

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