Nach einem festen Fahrplan sind bundesweit rund 60 Gefangenentransporter im Linienverkehr unterwegs. Doch ganz einfach ist das Ein- und Aussteigen an den Haltestellen nicht. Hinter dicken Stahltüren beim Hersteller und in einer Justizvollzugsanstalt hat sich modellbus.info über die im Volksmund Grüne Minna genannten Omnibus informiert.
Eine lange Mauer mit einer Stahltür. Dahinter kein Gefängnis, sondern ein Karosseriebetrieb. Wenn es um Stahl geht, dann ist man im Ruhrgebiet an der richtigen Adresse. Hier sitzt ein Unternehmen, das Gefangenentransporter herstellt. In Essen werden die Gefangenentransporter gebaut, maßgeschneidert, das hat hier Tradition. 1919 gründeten die Brüder Rudolf und Josef Ludewig ein Karosseriebau-Unternehmen. Nach den Stromlinienbussen mit einer kompletten Leichtmetallkarosserie kamen die Anderthalbdecker. Ende der 70er Jahre wird die Omnibus-Fertigung eingestellt, es bleibt die Reparatur von Omnibussen und die Konstruktion von Sonderfahrzeugen. Seit 2005 entstehen in Essen unter Leitung des Enkels eines der Firmengründer auch Spezialfahrzeuge für die Polizei und Justiz.
So wie der Gefangenentransporter auf Basis des VDL Futura Classic oder seit dessem Produktionsende beispielsweise auf Basis des Van Hool Atlon mit Euro VI-Antrieb. Von der Stange sind bei den Basisfahrzeugen nur noch die Karosserie und die Antriebstechnik. Alles andere wird maßgeschneidert nach Vorgabe des Kunden erstellt. Es gibt keine bundesweite Norm für die Anordnung von Fenstern und Türen oder die Abmessungen, so wie sie beispielsweise vom Standard-Linienbus her bekannt ist. Rund drei Monate kann es dauern, bis ein Gefangenentransporter dem Auftraggeber ausgehändigt wird. Der ist aber von Anfang an dabei und beäugt ganz genau das, was hinter verschlossenen Stahltüren entsteht.
Ein Gefangenentransport beginnt in absoluter Sicherheit, im Innenhof eines Gefängnisses. Noch bevor die Gefangenen an Bord gehen haben sich Beamte der Justiz vom ordnungsgemäßen Zustand des Fahrzeugs überzeugt. Oder auch Beamte der Polizei, denn der Gefangenentransport ist Ländersache. Seit Ende der 50er Jahre gibt es so genannte Zellenomnibusse oder auch Gefangenentransportomnibusse, kurz GTO. Etwas angenehmer wurde die Fahrt Anfang der 90er Jahre, da gab es den ersten GTO mit einer Klimaanlage. Die hatte die Justiz in Sachsen für einen GTO geordert.
In Bayern beispielsweise führt die Bayerische Polizei die Gefangenensammeltransporte durch. Jährlich rund 900 Verschubungen, wie es in der Amtssprache heißt. Vom abgelehnten Asylbewerber bis zum Mörder ist alles an Bord, jährlich werden etwa 25.000 Gefangene befördert. In Bayern sind die Gefangenentransporter traditionell grün. Vielerorts wird der Gefangenentransporter auch Grüne Minna genannt. So sicher wie das Fahrzeug ist die im Volksmund eingebürgerte Bezeichnung aber nicht. Ein Greaner, ein Gauner, wurde nach der Festnahme zur Minna gemacht – ob das, was sich aus demRotwelschen, der alten Straßen- und Vagabundensprache zum Fahrzeug ableiten lässt, wirklich verantwortlich für die Bezeichnung ist?
Jedes Bundesland beziehungsweise jeder Auftraggeber hat seine eigenen Vorgaben und Wünsche an einen Gefangenentransporter. Nur in einem Punkt sind sich alle Beteiligten einig: Sicher muss er sein. Neben Stahl wird Aluminium und Kunststoff verbaut, über das genau Material und die Konstruktion herrscht Stillschweigen. Ein Gefangentransporter entsteht in einer Sandwich-Bauweise, bei der verschiedene Materialien aufbauend verarbeitet werden. Das Fahrzeug ist nicht gepanzert, aber ein- und ausbruchhämmend verarbeitet. Mit klassischem Werkzeug scheitert man.
Auch sonst muss man sich von dem verabschieden, was man kennt: Die Reifen des Omnibusses haben Notlaufringe auf dem Felgenbett, sodass ein platter Reifen kein Grund ist, um anzuhalten. Das Fahrzeug nimmt grundsätzlich immer die schnellste Strecke über die Autobahn, denn Landstraßen und Ortsdurchfahrten gelten als Sicherheitsrisiko. Auch neugierige Fragen sind nicht erlaubt: „Es gibt eine dienstliche Anweisung, dass wir keine Auskunft geben dürfen“, so ein Justizbeamter.
Sicherheit steht an erster Stelle. Damit man aber für den Fall eines Falles auch auf der menschlichen Seite auf Nummer sicher gehen kann, gibt es für die Staatsdiener einmal im Jahr ein Fahrsicherheitstraining. Der Fahrer eines Gefangenentransporters hat, wie jeder andere Busfahrer auch, einen entsprechenden Führerschein, nur ist sein Arbeitgeber kein Omnibusbetrieb, sondern der Staat. Und auch das Fahrzeug ist kein gewöhnlicher Reisebus. Es ist eine andere Art des Reisens, da ist nichts von einem gepolsterten Gestühl, Teppichboden und Bordküche.
Die Gefangenentransporte erfolgen zwar stets bewaffnet, aber mit Blick auf mögliche Übergriffe tragen die Fahrer und Begleiter keine Waffen. Sicher im Safe gelagert sind sie nur für den äußersten Notfall vorgesehen. Um die Fahrt nicht zu gefährden, ist auch immer ein zweiter Fahrer im Team. Zur Sicherheit sitzt das Personal hinter einer Gittertür getrennt von den Zellen.
Trennen muss man sich auch von dem Gedanken, dass die wenigen Sitzplätze im 12 Meter langen Gefährt etwas Luxuriöses haben: Ein Gefangener muss seine Fahrt auf einer ungepolsterten Kunststoffschale in einer kleinen Zelle absitzen. Ein Notausstieg mit dem bekannten roten Hämmerchen steht den Gefangenen aus verständlichen Gründen nicht zur Verfügung. Der Sehschlitz besteht aus Panzerglas. Sicher ist sicher. Und für die im wahrsten Sinne des Wortes innere Sicherheit gibt es pro Sitzschale einen Sicherheitsgurt.
Etwas Besonderes hat sich die Justizvollzugsanstalt Oldenburg für den neuen Gefangenentransporter einfallen lassen: In jeder Zelle können die Fahrgäste aus dem vorhandenen Angebot ihre Musik ganz individuell auswählen. Seit dies Angebot besteht, gäbe es deutlich weniger Unruhen im Bus, versichert ein Vollzugsbeamter, der mit dem Van Hool unterwegs ist.
Die Gefangenentransporter fahren nach einem festen Fahrplan, für den ein sogar ein Kursbuch gibt. Dort sind die Tage und Zeiten sowie die Haltestellen gelistet, so wie in jedem anderen Kursbuch auch. Nur ist dieses Kursbuch nicht für Jedermann verfügbar. Neben dem Fahrpersonal haben beispielsweise Gerichte bundesweit einen Einblick. Wird ein Gefangener als Zeuge benötigt, dann kann so dessen Ankunft am Ort berechnet werden. Eine Reise durch die Republik dauert mindestens eine Woche.
Alles ist von Anfang an bis ins letzte Detail durchdacht. Auch die Schrauben, die sich konstruktionsbedingt nicht verstecken lassen. Für sie gibt es ein spezielles Werkzeug, das nicht im Fahrzeug mitgeführt wird. „Der Job im Gefangenentransporter ist nichts für Anfänger“, erklärt der Justizbeamte auf dem Weg zurück zur Stahltür. Ein Busführerschein allein genügt nicht, um hinter dem Lenkrad sitzen zu dürfen. Da gäbe es eine Reihe von Auswahlkriterien für diesen Job. Doch auch die sind erst einmal bis zum Bewerbungsverfahren wie so Vieles bei diesem Fahrzeug eine geheime Verschlusssache.
Rüdiger Schreiber
Anm.: Der Artikel ist eine überarbeitete Fassung meines Artikels aus der Fachzeitschrift BUSFahrer 01-2014 und einer Reportage auf www.modellbus.info aus dem Jahr 2014.
Buchtipp
Die Idee, ein Buch über die Geschichte der Gefangenentransporter zu veröffentlichen, kam Manfred Wilewka durch sein Hobby: Er sammelt Modellautos und vor allem Einsatzfahrzeuge aus allen Bereichen. Dabei fiel ihm auf, dass Gefangenentransportfahrzeuge in seiner Sammlung von mehr als 2.000 Exemplaren fehlten. Als Konsequenz schickte er Fotos von einem Justiz-Transportbus als Modellvorschlag an eine entsprechende Firma. Danach kam die Überlegung für das jetzt vorliegende Buch. Bei der Verwirklichung musste Wilewka die Erfahrung machen, dass es einfacher war an Fotos von Polizeifahrzeugen zu kommen, als an solche von Gefangenentransportfahrzeugen der Justiz. Sicherheitsaspekte spielten dabei eine nicht unerhebliche Rolle. Dennoch gelang es dem Autor, die erforderlichen Genehmigungen für seine Bildpräsentationen zu erhalten. Das Buch mit dem Titel „Die grüne Minna – Gefangenentransportfahrzeuge der JUSTIZ aus Deutschland“ ist im Buchhandel erhältlich. ISBN: 978-3-8391-1053-9.
Es muss nicht immer ein Bus sein
Die silbermetallic-farbenen DAF LF45 mit geräumigem Tagesfahrerhaus für zwei Beamte verfügen über einen Spezialkofferaufbau für den Gefangenentransport. Dieser stammt von der Wietmarscher Ambulanz- und Sonderfahrzeug GmbH (WAS) in Niedersachsen und besteht weitgehend aus Stahl, Aluminium, verstärktem Glas sowie speziellen, hochfesten Kunststoffen. Außen am Heck gibt es zwei abschließbare Flügeltüren, die den Zugang zum zirka einen Meter tiefen Gepäckabteil mit drei Etagen freigeben. Dort werden die Taschen und Koffer der Gefangenen verstaut.
Innen ist der Koffer in zwei Bereiche aufgeteilt: einen für die Häftlinge und einen für die Beamten. Für die Gefangenen ist der größere Teil hinten reserviert. Er bietet insgesamt fünf separate und einzeln verschließbare Zellen mit kleinen verglasten Oberlichtern. Die größte Zelle im Heckbereich verfügt über vier Sitzplätze in Fahrtrichtung. Vom Gang dorthin gehen links und rechts je zwei weitere Zellentüren ab, hinter denen sich kleine Räume mit je einem oder zwei Sitzen befinden.
Maximal zehn Sträflingen lassen sich mit dem DAF-Gefangenentransporter auf einmal befördern. Sie nehmen auf einfach gehaltenen, abwaschbaren Kunststoffsitzen Platz, die crashgeprüft und mit Sicherheitsgurten ausgerüstet sind. Der vordere Bereich im Kofferaufbau ist für das Begleit- und Wachpersonal bestimmt. Die gepolsterte Doppelsitzbank für die Beamten ist vorschriftsmäßig mit Sicherheitsgurten ausgerüstet und in Fahrrichtung ausgerichtet. Ein kleiner Tisch vor der Besatzung bietet Platz für einen Laptop und die Erledigung von Schreibarbeiten. An der Stirnwand darüber befinden sich die Steuereinheit für die Videoüberwachungs-, Beleuchtungs- und Kommunikationsanlage, Leselampen und 12-Volt-Steckdosen sowie die Schalter für die Heizungs- und Klimaanlage.