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Entlassungswelle im polnischen MAN-Werk für Elektrobusse. Foto: MAN, Rothe-Verlag; Montage: omnibus.news

Der Busblickpunkt mausert sich zum Branchenprimus: Nachdem immer mehr deutschsprachige gedruckte Fachtitel (Busfahrt, lastauto omnibus und (…wir sind noch nicht am Jahresende!)) vom Markt genommen wurden und werden, gewinnt der Busblickpunkt mit dem neuen Chefredakteur Thorsten Wagner an Bedeutung.

Die wichtige und von MAN vorerst nur in Polen kommunizierte Entlassung von 860 Beschäftigte im Buswerk in Starachowice geht beim Busblickpunkt sogar noch am Sonntag online, mehr Aktualität geht nicht! Für die Informationen, die auf busnetz.de erschienen, bildete der auf die polnische Wirtschaft spezialisierte Pressesdienst infoPOL.PRESS u.a. die Grundlage.

Wer Thorsten Wagner und seinen zuvor bei eurotransport.de publizierten Bus-Blog kennt, der weiß, dass die kritische Berichterstattung und durchaus der eine oder andere pointierte Kommentar in diesem Zusammenhang nicht fehlen wird.

So schreibt er u.a., dass die Entlassungen am Vorabend des polnischen Nationalfeiertages bekannt gegeben wurden und merkt an, dass MAN in der Türkei doch peinlich genau auf jeden politischen Feiertag zu Ehren von Staatsgründer Atatürk achte.

Auch vergisst er nicht, darauf hinzuweisen, dass die MAN 2021 sein letztes Neoplan-Buswerk in Plauen mit rund 120 Beschäftigten an den Spezialaufbauer Binz verkauft und damit seine letzten Produktionskapazitäten in Deutschland abgebaut hat. Welches Ziel verfolgt man bei MAN bzw. Traton und damit Volkswagen?

Die Traton-Tochter unter dem großen Dach der Volkswagen AG begründet die Entlassungen mit der Kostenexplosion und der stark rückläufigen Nachfrage nach Bussen. Rückläufige Zahlen? Der Elektrobusmarkt boomt und der Standort in Starachowice ist nach Angaben von MAN ein wichtiger Meilenstein auf der eMobility Roadmap.

“Wir erweitern damit unser Produktionsportfolio und gehen konsequent einen weiteren Schritt in Richtung nachhaltige Mobilität“, sagt Michael Kobriger, Vorstand Produktion & Logistik bei MAN Truck & Bus sowie Board Mentor für den Geschäftsbereich Bus im Zusammenhang mit der Serienproduktion von Elektrobussen, die ausschließlich in Polen gebaut werden.

Kobriger Ende November 2020: „Meine Anerkennung für den Start des Serienanlaufs gilt dem kompletten Team, welches unermüdlich und über Ressorts hinweg daran gearbeitet hat, einen zuverlässigen Elektrobus zu entwickeln und erfolgreich in die Produktion zu integrieren“.

Heute, zwei Jahre später, sagte der MAN-Vorstand: “Wie in der Vergangenheit ist sich MAN seiner sozialen Verantwortung bewusst und will in den kommenden Wochen mit den Gewerkschaften zusammenarbeiten, um tragfähige Lösungen für das Unternehmen und die Beschäftigten in Starachowice zu finden.” 

Im polnischen MAN-Werk in Starachowice ist Anfang Oktober 2020 die Serienproduktion für batterieelektrische Stadtbusse erfolgreich angelaufen. Los ging es mit dem Lion’s City E in der 12-Meter-Soloversion. Und: MAN hatte rund 27 Millionen Euro in den Standort investiert, um dort eine E-Bus-Produktion aufzubauen.

Der vollelektrische Lion’s City E als Gelenkbus folgte rund sechs Monate später und im Zusammenhang mit der IAA Transportation wurde der 10 E, ein um 1,5m gekürzter 12m-Elektrobus vorgestellt. Es soll zum Jahresbeginn 2023 in Starachowice vom Band laufen.

Auf einer online-Pressekonferenz im Umfeld der IAA Transportation erklärte MAN, dass die Nachfrage nach Elektrobussen in den nächsten Jahren weiter steigen werde. Bis 2040 solle der Absatz von emissionsfreien Bussen auf über 80 Prozent des Weltmarktes klettern.

MAN sprach davon, dass 2030 bereits 90 Prozent der eigenen Omnibusse rein elektrisch fahren, neben dem Linienbus werde man auch den Überland- und Reisebus elektrifizieren, so MAN. Die Realität zeigt, dass die Welt eine ganz andere ist.

Rückläufige Absatzzahlen spürt auch MAN, der Absatz von rund 1.300 Omnibussen in Europa zeigt, dass diese Busmarken unter dem der Traton mit gerade einmal sechs Prozent weit hinter den Wettbewerbern zurückbleiben. Daimler Buses beispielsweise kommt europaweit auf über 12 Prozent!

Von 2019 ist der Absatz von 7.400 auf 4.600 im vergangenen Jahr zurückgegangen, wie der Busblickpunkt unter Berufung auf das Zahlenwerk von Chatrou CME Solutions schreibt. Dieser Niedergang habe sich 2022 fortgesetzt, so Thorsten Wagner weiter: Bis Ende Oktober wurden mit dem Löwen- und Neoplan-Logo nur rund 2.837 Busse verkauft.

In der zweiten MAN-Busfabrik in der Türkei, so Thorsten Wagner weiter, verlaufe die Tätigkeit bisher weitgehend normal – hier können neben Reise- und Überlandbussen flexibel auch Stadtbusse (außer Elektrobusse) produziert werden.

In den ersten drei Quartalen dieses Jahres wurden dort nach Angaben des Busblickpunkts unter Berufung auf infoPOL.PRESS 1.318 Busse produziert, 90 Busse mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Einen Grund nennt Thorsten Wagner auch: Neben der starken Verlagerung der Entwicklungs- und Erprobungsfazilitäten dürfte in seinen Augen auch die schwache türkische Währung dafür verantwortlich sein, die den Export aus dem Land stark verbillige.

Wer sich in Polen über Tageszeitungen und auf Omnibusse spezialisierte Portale weiter informiert, der liest unisono, dass die Menschen nicht verstehen, warum genau das Werk, in das investiert wurde und welches ausschließlich die Elektrobusse liefert, nun massiv Mitarbeiter abbauen soll.

MAN hat Fakten geschaffen, so sieht der Vorstand schon die Verlagerung von Arbeitskräften aus Starachowice nach Niepołomice vor. MAN wird sich auch in Deutschland erklären müssen. Ob und wann dies geschieht, ist im Zusammenhang mit der immer noch boomenden Nachfrage nach Elektrobussen in Europa im wahrsten Sinne spannend!

Nicht nur der Busblickpunkt, die ganze Busbranche und auch die Verkehrsbetriebe schauen nun gespannt nach Polen auf das, was MAN in den kommenden Wochen in Starachowice umsetzen wird, wenn der Konzern mitteilt, es sei dringend notwendig, die Struktur dieses Geschäftsbereichs anzupassen. (Busblickpunkt/infopol.press/MAN/omnibus.news/Sr)

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