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Wieder einmal mussten Busse in Berlin demonstrieren, um auf den “Knockdown” der Busbranche aufmerksam zu machen. Foto: Böhnke

Große Bühne, diesmal aber gar keine Zusagen für finanzielle Unterstützungen durch die Politik. Foto: Böhnke

Statt Omnibussen waren bei der Großdemonstration Koffer mit Veranstaltungstechnik auf der Straße des 17. Juni geparkt. Foto: Böhnke

Campino fand klare Worte: “Offensichtlich hat die Politik den Sommer verschlafen.” Foto: Böhnke

Knockdown, Lockdown und Shutdown – längst wurden auch diese englischen Begriffe im deutschen Sprachgebrauch übernommen. Klingt dann zum Glück ja nicht so schlimm, Niederschlag, Ausgangssperre und Betrieb eingestellt wecken da schon ganz andere Assoziationen. Während die Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Fernsehansprache zur Corona-Pandemie am 18. März 2020 keine dieser Anglizismen benutzte, sprach sie dann erstmals am 20. April diesen Jahres vom Shutdown: “Ich glaube, uns eint alle (…), dass es keinen erneuten allgemeinen Shutdown geben soll”. Nun gibt es den Lockdown light, der Duden beschreibt Lockdown als Ausgangssperre oder Abriegelung, in Verbindung mit light darf man es im übertragenen Sinne nicht auf die leichte Schulter nehmen. Nur hoffen, dass das Ziel, dass man sich zu Weihnachten wieder ohne größere Angst mit Menschen treffen kann, erreicht wird. Ab Montag also wieder Stillstand, Stillstand, den die Busbranche schon seit dem Frühjahr kennt. Passend ist das Foto zur heutigen Meldung, das Sascha Böhnke gestern in Berlin auf der Großdemonstration aufnahm: Schule ohne Reisebus ist wie Klasse ohne Ausflug. Schule wird es weiterhin geben, nur Ausflüge und Reisebusse nicht. Der Lockdown light ist ein neuer Rückschlag für die Busbranche, keine Frage. Alle Veranstaltungen untersagt, Reisen sollen unterlassen werden, Übernachtungsangebote gibt es nur für nicht toruistische Zwecke. Wofür braucht es dann noch Reisebusse? Dabei haben die Busunternehmer doch alles richtig gemacht, ein Hygienekonzept entwickelt und Geld in Filter investiert oder das Sitzplatzangebot reduziert. Und auch die Hersteller haben die Omnibusse mit entsprechenden Zusatzausstattungen aufgerüstet und Studien in Auftrag gegeben, die zeigen, dass das Busfahren entsprechend der Vorgaben darstellbar ist. Das Reisen mit dem Bus ist sicher! Mehr geht nicht. Nur noch das Demonstrieren. Tausende  waren in die Hauptstadt gekommen, diesmal nicht nur aus der Busbranche. Auch die Veranstaltungs- und Tourismusbranche war mit dabei, um für Hilfen auf die Straßen zu gehen. Hilfen, die auch ankommen und ohne bürokratische Hürden beantragt werden können. Weil es diesmal mehrere Verbände waren, die sich zu einem Aktionsbündnis zusammengeschlossen haben, sind die Forderungen hoffentlich noch deutlicher bei den Politikern angekommen! Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil merkte gestern Abend zumindest in einem seiner Fernsehauftritte an, dass er die Demonstranten wahrgenommen hätte. Und als Niedersachse hat er über seinen Wirtschaftsminister die Überbrückungsgelder II ergänzt, 14 Millionen Euro stellt das Land für den Reisebusbereich bereit. Für die Busbranche und die dazugehörenden Touristikanbieter waren gestern in Berlin der Internationale Bustouristikverband RDA sowie die Gütegemeinschaft Buskomfort (GBK) dabei. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) fehlte, er riet seinen Mitgliedern von der Teilnahme ab, die Verbandsmitglieder wurden über Gründe und Zusammenhänge, die gegen eine Busdemo sprechen, im Vorfeld per Rundschreiben informiert. Die Aktion unter dem Motto #AlarmstufeRot bestand aus mehreren Demonstrationen, zu denen auch ein Bus-Korso zum Brandenburger Tor gehörte.  Hier fand dann wieder wie beim letzten Mal die Abschlusskundgebung statt, doch diesmal blieben die Zusagen für finazielle Hilfen von der Bundesregierung aus. Und: Entgegen der ersten Zusagen waren dann aber doch nicht der Bundesfinanzminister Olaf Scholz sowie der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier auf der Bühne, sie waren verhindert. Stattdessen sprach u.a. die Staatssekretärin Bettina Hagedorn aus dem Finanzministerium, es stünde ihr nicht zu, den Anwesenden Hilfen zuzusagen, so ihre Mitteilung an die Demonstranten. Einen Hoffnungsschimmer ließ sie aber erkennen, denn sie teilte mit, dass sie erwarte, dass sich die Minister zeitnah äußern würden. Klare Worte hingegen fand der RDA-Präsident, der den Teilnehmern zurief, dass sie systemrelevant sein. Benedikt Esser: “Wir brauchen euch, ihr seid für uns systemrelevant. Wir wollen mit den Bussen zu euren Veranstaltungen und so geht es einfach nicht weiter, dass wir keine anständigen Überbrückungshilfen bekommen.” Und weiter: “Wir haben kein Geld mehr«, rief Esser mahnend. Auch Campino, Frontmann der Toten Hosen, fand als Musiker klare Worte: “Offensichtlich hat die Politik den Sommer verschlafen. Eine Lockdown- und Öffnungsstrategie in Schwarz-Weiß ist einfach zu wenig”, erklärte Campino. Es gehe hier “nicht um Weihnachten. Es geht um ein ganzes Jahr und Tausende Existenzen.” Das Aktionsbündnis #AlarmstufeRot hatte die Protestaktion in Berlin organisiert und hielt zum Schluss auch ein passendes Staement parat: Es müsse Hilfsprogramme geben, die sich gezielter an den Bedürfnissen der Unternehmen orientieren als die bisher von der Regierung aufgelegten Förderprogramme orientieren. Am Rande der Demonstrationen war gerüchteweise zu hören, dass die Bundesregierung für die von den Schließungen betroffenen Firmen, Vereine und Einrichtungen eine außerordentliche Wirtschaftshilfe bereitstellen wolle. Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern können als “Erstattungsbetrag” 75 Prozent des Umsatzes des Vorjahresmonats erhalten. Insgesamt sollen dafür bis zu zehn Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Bis diese Hilfen beantragt werden können, wird es erste Busunternehmen leider nicht mehr geben. High noon ist vorbei, um bei den englischen Begriffen zu bleiben. Oder klingt es besser, wenn man sagt, dass es längst fünf nach zwölf? (omnibus.news/RüdigerSchreiber)

 

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