Welcher Bus würde sich besser als Shuttle nach Las Vegas oder Atlantic City eignen als ein Neoplan Skyliner? Seit seinem ersten Auftritt vor 50 Jahren kombiniert der Doppeldecker Flexibilität, Glamour und Komfort – und eroberte so auch die Herzen in den US-amerikanischen Glücksspielzentren und darüber hinaus. Der Reiz des Glücksspiels ist das Unvorhersehbare, und ein Ort wie Las Vegas fußt auf diesem Nervenkitzel. Doch während in den Casinos der Zufall regiert, gingen die Golden Nugget Hotels in den 1980er Jahren für ihren Shuttleservice auf Nummer sicher und entschieden sich für den imposanten Skyliner. Schließlich stand und steht dieser wie kein anderer Bus für Exklusivität und bietet weitreichende Freiheiten bei der Verwirklichung von Sonderwünschen. In gleich zwei Serien kamen die Doppeldecker als Shuttle zum Einsatz, um die Glücksspielbegeisterten von der Stadt in die Golden Nugget Casinos zu bringen: Ab 1981 leisteten 20 Fahrzeuge den Transfer von Los Angeles nach Las Vegas und ab 1983 pendelten weitere 22 zwischen New York und Atlantic City. Die erste Serie der Dreiachser setzte optisch auf schwarzen Lack mit goldfarbenem Schriftzug und Radkappen. Die Busse für die Strecke an der Ostküste basierten zwar auf dem gleichen Modell, wurden aber überarbeitet. Um ihrem Namen alle Ehre zu machen, waren die Scheiben der Golden Nugget Busse diesmal goldbedampft. Das imposante Erscheinungsbild war dabei aber nicht der einzige Grund. Die so beschichteten Fenster schwächten die starke Sonneneinstrahlung ab und verringerten die Erwärmung des Innenraums. Trotzdem war eine besonders große Klimaanlage mit an Bord, die nicht wie üblich vom Fahrzeugmotor betrieben wurde, sondern über einen eigenen Motor verfügte. Eine weitere Neuerung der zweiten Serie war die Verwendung von Nirosta (Nicht rostender Stahl) an der Karosserie. Gut zu erkennen ist zum Beispiel das breite Nirosta-Band, das in der Verkleidung beide Etagen trennte und den Schriftzug Golden Nugget trug. Das Band war goldeloxiert, was die Oberfläche besonders kratzfest macht und ihr einen langlebigen Glanz verleiht. Auch die Innenausstattung überzeugte auf ganzer Linie. Ein Schweizer Unternehmen fertigte speziell für diese Fahrzeuge eine eigene Reihe exklusiver Bezüge an. Diese waren – wie sollte es anders sein – goldfarben und von einem roten und einem schwarzen Band umschlossen. Für den Antrieb sorgten in allen Shuttles Detroit-V8-Motoren und Allison-Automatikgetriebe. Von New York nach Atlantic City waren ungefähr 200 km zurückzulegen. Das Konzept war einfach: Hin- und Rückfahrt kosteten 20 $ und jeder Fahrgast bekam im Bus 10 $ in Form von Chips zurück. Ähnlich unkompliziert und doch spektakulär kam auch der Auftrag für die Busse selbst zustande. Bei der zweiten Serie kümmerte sich Steve Wynn, damals Besitzer der Golden Nugget Hotels in Las Vegas und Atlantic City, selbst um die Auswahl der Busse. Im Rahmen eines Europatrips verbrachte er einige Wochen in Nizza. In Atlantic City entstand bereits ein groß angelegtes Bus-Shuttlesystem, um potentielle Casino-Besucher aus dem Großraum New York dorthin zu bringen. Ein unterirdischer Busbahnhof im Golden Nugget Hotel war bereits im Bau. Es fehlten nur noch die geeigneten Busse. Während eines Abstechers nach Wien führte ihn sein Weg somit auch nach Stuttgart ins Neoplan Werk. Wynn war tief beeindruckt von der Flexibilität in der Fertigung, die viele Möglichkeiten bot, auf Sonderwünsche einzugehen, wie das bei keinem anderen Hersteller möglich war. Schließlich lud er kurzerhand die Führungsmannschaft von Neoplan nach Nizza ein. Bob Lee, ehemaliger Geschäftsführer des Stuttgarter Busherstellers, erinnert sich: „Gegen 12 Uhr mittags fanden in seiner Hotelsuite die Verhandlungen statt. Der ideale Zeitpunkt, um auch Banken in New York zu erreichen.“ Die Busbauer müssen den richtigen Eindruck hinterlassen haben. „Geglaubt haben wir unseren Erfolg erst am nächsten Tag, als Else Auwärter, damals zuständig für die Finanzen, die Treppe runtergerannt kam und fragte, was wir denn angestellt hätten. Da wäre jetzt die und die Summe auf dem Konto. Das war eine Anzahlung weit über das Übliche hinaus.“ Obwohl Las Vegas und Atlantic City an Ost- und Westküste liegen und damit weit voneinander entfernt sind, konnte sich letztere Stadt nicht auf Dauer als Glücksspielstandort behaupten. Dennoch gilt Neoplans Präsenz auf dem US-Markt als voller Erfolg. Von 1981 bis 1995 verkaufte das Unternehmen 15.000 Busse, die im eigenen Werk in Lamar, Colorado hergestellt wurden. Allein 1.300 gingen an die Stadt Los Angeles für den Linienbetrieb. 700 davon waren übrigens gasbetrieben. Schon damals gab es also serienreife Alternativen zum Diesel. Bob Lee: „Ich denke heute manchmal daran, wie wir es eigentlich geschafft haben, in die ganze Welt unsere Doppeldecker zu verkaufen. Das ging, weil wir etwas kombiniert haben, das keiner so angeboten hat: Flexibilität in der Umsetzung von Ideen und Wirtschaftlichkeit.“
Goldige Zeiten
12. Oktober 2017