Seit 11. Dezember besitzt der Stuttgarter Stadtbezirk Stammheim ein zusätzliches Angebot im ÖPNV: Die Linie 98 hat ihren Betrieb aufgenommen. Der eingesetzte Kleinbus verbindet auf dem rund fünf Kilometer langen Linienverlauf die Ortsmitte mit den Wohngebieten abseits der Hauptstraße sowie mit Sport- und Freizeitstätten. Die neue Linie verkehrt nach normalem Fahrplan, deckt fast alle Tageszeiten ab und ist zum regulären Nahverkehrstarif nutzbar. Die neue Einrichtung ist zunächst auf zwei Jahre befristet.
Am eigenen Wohnort ohne Auto mobil zu sein: Das wird zunehmend zum Bedürfnis, quer durch viele Schichten der Bevölkerung. Besonders bei eher überschaubaren Entfernungen innerhalb des eigenen Wohnortes kommt es zum Spagat: Kurzstreckenfahrten mit dem Auto sind unbeliebt, belasten unnötig die Anwohner, Parkplätze sind knapp. Zu Fuß sind regelmäßige Wege über einen oder anderthalb Kilometer aber auch nicht so attraktiv, mit dem Fahrrad ist man vom Wetter abhängig.
Dazu kommt eine nicht neue Erscheinung: Sport- und Freizeitstätten liegen zunehmend hinter dem Ortsrand, und selbst Gastwirtschaften befinden sich heute oft nicht mehr in zentraler Ortslage, sondern außerhalb. So ist es auch in Stuttgart-Stammheim. Daher gibt es dort ab dem Fahrplanwechsel am Sonntag, 11. Dezember, probeweise ein neues Verkehrsangebot: Die neue Buslinie fährt zwischen den westlichen und östlichen Bereichen des nördlichen Stadtbezirks.
Auf halbem Weg dieser Querverbindung liegt der zentrale örtliche Bereich mit der Endhaltestelle der Stadtbahnlinie U 15, welche die Anbindung mit der Stuttgarter Stadtmitte vermittelt. Die Linie 98 beschreibt auf ihrer insgesamt rund neun Kilometer langen Tour (hin und zurück gemessen) etwa eine große Acht. Von der Endhaltestelle der Stadtbahn aus geht es nach einer kurzen Wendefahrt durch das angrenzende Wohngebiet dann in den Nordwesten von Stammheim und über den Emerholzweg direkt am Gewerbegebiet vorbei zum rund anderthalb Kilometer nach Westen entfernten Sport- und Freizeitgebiet Emerholz und Withau im Grünen am Waldrand.
Dort liegen Sportstätten, Spielplätze und mehrere Gaststätten. Von dort führt die Fahrt über die Sporthalle Stammheim zurück nach Stammheim Mitte und – vorbei am Kirchplatz – in das vom Ortskern gut einen Kilometer entfernte, östlich liegende Wohngebiet an der Segelfalterstraße. Formale Endhaltestelle ist Tagfalterweg. Auch dort beschreibt die Linie einen großen Ring durch das Wohnquartier. Am Friedhof vorbei geht es zurück in Richtung Kirchplatz und von dort über die Sportanlagen und das Gewerbegebiet zurück zur Endhaltestelle Stammheim.
Insgesamt werden 20 Haltestellen bedient. Der wesentliche Teil der Linie wird im Zweirichtungsbetrieb befahren, nur die Schleifenfahrt vom Kirchplatz bis zum Friedhof erfolgt in einer Fahrtrichtung. Zentrale Halte sind Stammheim zum Umstieg von der Stadtbahn, und Freihofplatz auf Höhe der Ortsmitte. Auch von dort gelangt man schnell zur Stadtbahn. Der Zweck der Linie ist aber nicht nur die Verbindung der „letzten Meile“ zum Schienenanschluss, sondern vom Schwerpunkt des Zweckes her – auch unabhängig von der Stadtbahn – die Verbindung und Erschließung der örtlichen Zentren und Quartiere.
Das gilt nicht nur für Menschen, die schlecht zu Fuß sind, sondern für alle, die innerhalb der Distanzen von ein bis zwei Kilometer unterwegs sein wollen, und somit für alle Ziel- und Altersgruppen: Einkaufen im Ort, der Sport im Verein oder individuell, der Spaziergang im Wald, der Gang zum Rathaus, zur Apotheke, zum Friedhof oder zum Briefkasten, Einkehren in der Gaststätte, Besuch von Freunden. Dabei spielt auch das Bedürfnis nach gefühlter Sicherheit eine Rolle, vor allem in der dunklen Jahreszeit: Die Fahrt im beleuchteten Bus unter Menschen ist attraktiver als der Gang entlang dunkler Felder außerhalb der Ortschaft.
Die Betriebszeit deckt von 7 bis 23 Uhr alle Zeiten der Öffnung von Läden, Gast- und Sportstätten ab. Lediglich zur Schwachlastzeit zwischen 10 und 11 Uhr vormittags gibt es mit Rücksicht auf die Arbeitszeitvorschriften eine Bedienungspause. Jede halbe Stunde gibt es eine Abfahrt. Die Fahrplanlage ab der Zentralhaltestelle Stammheim ist auf die Fahrplanzeiten der Stadtbahn abgestimmt, die alle zehn Minuten kommt. Um den Einkaufs- und Freizeitverkehr abzudecken, ist die Buslinie auch samstags und sonntags in Betrieb, allerdings jeweils erst ab 11 Uhr. Auch dann gilt das gut merkbare einheitliche Schema: Betrieb bis 23 Uhr, alle 30 Minuten.
Es gilt grundsätzlich der übliche Tarif des Verkehrs- und Tarifverbundes Stuttgart (VVS). Somit ist für die kombinierte Nutzung von Linie 98 und Stadtbahn oder umgekehrt kein zweites Ticket nötig. Wer bisher schon ein Abo des VVS hat, kann also den Ortsbus mitbenutzen. Zudem wird während des Probebetriebs ein Sonderticket „Ortsbus Stammheim-Ticket“ für 1,70 Euro pro Einzelfahrt auf der Buslinie 98 angeboten. Dieses ist beim Fahrpersonal im Bus oder in der VVSmobil-App oder der SSB Move-App erhältlich. Dieses Ticket gilt nur auf der Linie 98, nicht beim Umstieg auf andere Linien.
Zum Einsatz kommt ein 8,5 Meter langer Kleinbus von Mercedes-Benz aus der Sprinter-Baureihe, der zwölf Sitzplätze bietet und insgesamt gut zwei Dutzend Personen fasst. Der Kleinbus verfügt über einen Mehrzweckbereich für Kinderwagen und ähnliche Lasten sowie einen separaten Rollstuhlplatz. Der Einstieg in das Fahrzeug wird durch die Absenkfunktion sowie eine ausklappbare Rampe erleichtert.
Die Haltestellen werden vorläufig vereinfacht eingerichtet, so lange der Probebetrieb läuft. Sollte sich die Linie bewähren, würde durch das städtische Tiefbauamt nach und nach die bauliche Einrichtung der Haltestellen nach üblichen Standards erfolgen, wenn auch angemessen an die geringe Länge des Busses mit nur einer Einstiegstür und die überschaubare Platzkapazität des Fahrzeugs. Der Kleinbus wird vom Betriebshof Gaisburg der SSB gestellt, die Fahrer werden tagesabhängig aus dem Gaisburger Personalpool eingeteilt.
Um ein qualifiziertes Angebot aus bewährter und einheitlicher Hand zu bieten, beauftragte die Stadt direkt ihre kommunale Tochter SSB AG mit der Umsetzung.. Für den Betrieb der Linie 98 hat die Stadt in ihrem Doppelhaushalt 2022/2023 pro Fahrplanjahr 200 000 Euro Zuschuss bereitgestellt. Der zweijährige Probebetrieb geht zunächst bis Mitte Dezember 2024. Durch die SSB werden regelmäßige Zählungen des Fahrgastaufkommens vorgenommen werden, so dass bis zum Frühjahr 2024 erkennbar ist, wie die Linie 98 von den Kunden angenommen wird und ob sie in den Regelbetrieb überführt wird.
Für die Einrichtung von Ergänzungsverkehren gibt es im Stadtgebiet Stuttgart weitere Wünsche. Gemeinderat und Bezirke werden über die etwaige Ausweitung solcher Verkehre entscheiden. Ausgangslage und Zielsetzung sind je nach Stadtteil oft sehr unterschiedlich. Art und Umfang von Ergänzungsverkehren werden daher in jedem Einzelfall individuell zu gestalten sein. Entsprechend den unterschiedlichen Anforderungen wird zu prüfen sein, welche Angebotsform, welcher Umfang, welche Fahrzeuge und welcher Dienstleister für diese Verkehre jeweils in Frage kommen. (SSB/PM/Sr)