Still und ohne großes Aufsehen haben die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) am 25. Oktober 2023 ihre letzten beiden MAN LionsCityDD A39, die BVG-intern als DL (für Doppeldecker lang) bezeichnet wurden, aus dem Liniendienst verabschiedet. Der Wagen mit der Nummer 3265 hatte am 20.10. seine letzte Fahrt, der Wagen 3544 am 10.10..
Damit ist nun bei der BVG keiner der ursprünglich 416 Stück MAN Dreiachsdoppeldecker mehr im Linieneinsatz zu erleben. Lediglich der Wagen 3492 (Bus to the Future) bleibt noch intern als Sonderwagen im Bestand. Dieser wird gelegentlich als Busschule zur Verkehrserziehung für Grundschüler verwendet.
Im Jahr 2004 begann die Geschichte der DL-Flotte mit dem Wagen 3099 als Prototypen. Danach folgten die Wagen 3101 bis 3544 (mit Lücken), ab der Wagennummer 3440 wurden die großen Gelben mit einem PS-stärkeren Euro5 EEV Dieselmotor ausgestattet.
Die Doppeldecker vom Typ MAN A39, die die BVG zwischen 2005 und 2010 beschafft hat, erhielten zwischendurch eine Frischzellenkur: Alle 414 Doppeldecker gehen nach und nach in die Werkstatt, die Überarbeitung der Fahrzeuge erfolgte bei MAN sowie in der BVG-eigenen Center-Werkstatt.
Alles in allem dauerte es je nach Instandsetzungsaufwand ungefähr 8 Wochen, um einen Doppeldecker aufzuarbeiten. Bei der Aufarbeitung wurde Rost von den tragenden Gerippen entfernt und der Unterboden erhielt einen neuen Unterbodenschutz, um nur einige Beispiele zu nennen.
Eventuell vorhandene Beschädigungen an den Dächern, entstanden etwa durch den Kontakt mit Ästen der Straßenbäume, wurden beseitigt und abgedichtet. Und statt der Seitenwände aus Blech erhielten die Busse rostfreie Verkleidungen aus Kunststoff.
Äußerlich fielen die Doppeldecker durch eine frische Lackierung auf – im bekannten BVG-Gelb, nach der Frischzellenkur aber ohne graue Seitenstreifen. Nun sind die großen Gelben der aus dem Hause MAN endgültig Geschichte, zumindest mit Blick auf den Einsatz bei der BVG.
Nahezu die Hälfte der 416 Doppeldecker wurde verschrottet, fast 100 gingen in den Export und weitere 100 wurden deutschlandweit verkauft. Bei der Arbeitsgemeinschaft Traditionsbus Berlin befinden sich drei Exemplare im Bestand, bei Pokra Omnibus Team & Werkstatt / Filmbus Berlin befinden sich 17 Fahrzeuge im betriebsbereiten Zustand.
Etwas kurios mutet der Ausflug der BVG an, in der Hauptstadt aus “kleine” Doppeldecker zu setzen: Die BVG beschaffte zwei Unikate, am 11. August 2015 feierte der VDL-Doppeldecker vom Typ Citea Low Floor bei der BVG seine Weltpremiere. Der Doppeldecker aus den Niederlanden folgte seinerzeit einer Großbestellung, denn die Berliner hatten sich nach einer zweijährigen Probephase im Sommer 2014 für die Bestellung von 236 Citea LLE entschieden.
Die damalige Vorstandsvorsitzende der BVG, Dr. Sigrid Evelyn Nikutta, präsentierte zudem auch noch einen neuen Doppeldecker von Scania. Die Schweden hatten einen Doppeldecker-Prototypen aus der Citywide-Baureihe entwickelt. Der Verkehrsbetrieb hofft mit den kleinen Gelben auf kleinere Kaufpreise und geringere Betriebskosten.
Die großen Dreiachser, die leer mehr als 17 Tonnen wogen, verbrauchen auf hundert Kilometer bis zu 60 Liter Diesel. Auch hier wollte die BVG sparen. Mit den beiden neuen Doppeldeckern testete die BVG seinerzeit auch zahlreiche technische Innovationen, wie beispielsweise eine Anzeige im Unterdeck, die über die Anzahl noch freier Sitzplätze im Oberdeck informierte.
„Die jüngste Doppeldeckergeneration ist zwar erst etwas mehr als zehn Jahre alt, aber man muss sich vor Augen führen, welche langen Strecken auch diese Busse zurücklegen – in der Regel pro Bus mehr als 70.000 Kilometer pro Jahr“, sagte Nikutta bei der Vorstellung gegenüber der Berliner Zeitung.
Nach einer intensiven BVG-internen und auch öffentlich geführten Diskussion erfolgte die Kehrtwende: „Wir werden wieder große Doppeldecker beschaffen“, erklärte Dr. Nikutta. „Sie passen auch besser zur wachsenden Stadt.“ Berlin wächst, auch die Zahl der BVG-Fahrgäste nimmt stetig zu – da käme es schlecht an wenn das Unternehmen kleinere Busse beschaffen würde. Der Berliner Fahrgastverband IGEB warnte damals: Kleinere Busse könnten „keinesfalls“ ein Ersatz für die heutigen großen Doppeldecker sein.
Dem Auftrag für große, lange Doppeldecker war eine Marktanalyse und eine Ausschreibung vorausgegangen, an der sich auch Solaris mit dem IFS Designbüro beteiligte. Die kreativen Berliner entwickelten auf Basis der damaligen Solaris Urbino Baureihe das Exterieur- und Interieurdesign für die Teilnahme an der Ausschreibung.
Wie das Verfahren für die dreiachsigen Doppeldecker lief und welche Anbieter sich beteiligten, ist nicht bekannt. Knapp zwölf Monate hat die Entwicklung des Prototyps gedauert, wie MAN seinerzeit erklärte. Gemeinsam mit den BVG-Technikern wurden die Vorgaben des Verkehrsbetriebes Schritt für Schritt umgesetzt.
Ein erster Prototyp, der im sächsischen Plauen (Rohbau) und bayerischen Werk in Pilsting gebaut wurde, erreichte im Juli 2004 die BVG. Er musste sich auf den Straßen Berlins ein Jahr behaupten, bevor dann Mitte 2005 die Serienfertigung begann. Die ersten 20 Doppeldecker wurden noch in Pilsting komplett gefertigt, danach übernahmen die BVG-eigenen Werkstätten den Innenausbau.
Das erste Serienfahrzeug des dann als MAN Lion’s City DD bezeichneten Doppeldeckers wurde Anfang September von Martin Scharrer, damals Mitglied der Geschäftsführung der Neoman Bus GmbH, an Thomas Necker, Vorstand Betrieb der BVG, übergeben.
Die Präsentation des Busses fand im Rahmen einer großen Veranstaltung zum Thema „100 Jahre Kraftomnibus“ statt, bei dem auch der erste von Büssing gebaute RK Wagen von 1915 gezeigt wurde. Der neue MAN Doppeldecker ist in der 100-jährigen Geschichte der „großen Gelben“ der erste von MAN karossierte Doppelstockbus. (BVG/MAN/Scania/Solaris/VDL/PM/Sr)