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Schieflage und Streit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bei MAN, denn der Arbeitgeber weicht nicht von seiner Position unde dem Abbau von bis zu 9.500 Stellen ab. Foto, Grafik: MAN, Montage: omnibus.news

Kahlschlag bei MAN: Der Lkw- und Bushersteller (MAN, Neoplan) will bis 2023 weltweit rund 9.500 Stellen streichen. Der Vorstand habe eine “umfassende Neuausrichtung” beschlossen, teilte der Konzern am 11. September 2020 mit und überraschte damit auch viele Angestellte des Konzerns. Die Nachricht aus der Konzernspitze kam ohne Vorankündigung, auch die Anzahl der Stellen, die jetzt wegfallen sollen, ist eine neue Dimension (siehe Meldung auf omnibus.news vom 10. März 2020 – zunächst war von 6.000 Stellen die Rede). Die Volkswagen AG, unter dessen Leitung MAN steht, will das Unternehmen scheinbar wirklich radikal neu aufstellen. Der Betriebsrat und die IG Metall lehnen jetzt weitere Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite vorerst ab, wie Betriebsratschef Saki Stimoniaris in heute in Mittwoch in München erklärte: „Das Unternehmen ist keinen Millimeter von seinen Kahlschlag-Plänen abgerückt. So verhandelt man nicht, das ist unanständig. Wir lassen uns nicht vorführen und kehren erst an den Tisch zurück, wenn das Unternehmen ernsthaft zu Verhandlungen bereit ist.“ MAN hatte die Vereinbarungen zur Standort- und Beschäftigungssicherung aufgekündigt, so dass betriebsbedingte Kündigungen möglich sind. Jetzt eskaliert der Streit, denn unter dem Druck der EU-Klimavorgaben soll MAN nun zu einem der „führenden Nutzfahrzeughersteller im Bereich Elektro- und Wasserstoffantriebe“ umgebaut werden. Und dabei fallen 9500 der 36.000 Stellen weg. Allein 5.600 sollen es an den Standorten München (Lkw-Werk), Nürnberg (Dieselmotorenwerk) und Salzgitter (Komponentenwerk) sein. Teile der Produktion sollen ins Ausland verlagert, das Werk in Plauen mit dem Bus Modification Center soll geschlossen werden. „Mit dem neuen Bus Modification Center in Plauen haben wir die Voraussetzung geschaffen, unseren Kunden in Zukunft schlüsselfertige Lösungen aus einer Hand anzubieten. Gleichzeitig hat unser Standort Plauen wieder eine klare Zukunftsperspektive in unserem Werksverbund,“ sagte damals Dr. Carsten Intra, der 2015 als Vorstand Produktion & Logistik bei der MAN Truck & Bus AG tätig war und jetzt Volkswagen Nutzfahrzeuge als Vorstand leitet. Reisebusse und Linienbusse sowie Kleinbusse wurden in Plauen den individuellen Wünschen der Kunden entsprechend aus- und umgebaut, zuletzt waren es besonders Kleinbusse, mit denen der Standort punktete. MAN schrieb nach einem operativen Gewinn von 253 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum jetzt einen Verlust von 387 Millionen Euro, was sich entsprechend auch im Ergebnis von Volkswagens Nutzfahrzeug-Dachmarke namens Traton niederschlug: Traton kam wegen des negativen MAN-Ergebnisses zu einem Betriebsverlust von 220 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor war es noch ein Gewinn von mehr als einer Milliarde Euro. Scania punktete im direkten Vergleich und hielt sich mit einem Betriebsgewinn von 221 Millionen Euro in den schwarzen Zahlen. Seit längerem steht bei MAN ein größerer Stellenabbau zur Diskussion, weil dem Konzern die Kosten schon vor der Corona-Krise zu hoch waren. Über die Neuausrichtung und das Spar- bzw. Restrukturierungskonzept hatte es scheinbar zwischen dem früheren VW-Nutzfahrzeugvorstand und Traton-Chef Andreas Renschler und der Arbeitnehmerseite heftigen Streit gegeben. Renschler musste Anfang Juli seine Posten bei Volkswagen räumen, Traton und MAN erhielten neue Chefs. Der neue Traton-Chef Matthias Gründler greift nun durch und streicht MAN nun deutlich mehr als die erwarteten. Bis 2023 solle eine Ergebnisverbesserung von 1,8 Milliarden Euro erzielt werden. Die operative Umsatzrendite solle auf 8 Prozent steigen. Beim Konzernbetriebsrat regt sich Widerstand: “Es kann nicht sein, dass Stellenabbau und Standortschließungen die einzigen Lösungen sind, die dem Vorstand einfallen”, so Saki Stimoniaris, Vorsitzender des Konzernbetriebsrates. “Das sind Management-Konzepte von tief unten aus der Mottenkiste.” Sparprogramme “nach der Rasenmähermethode” seien mit dem Betriebsrat nicht zu machen. Daran ändere auch die Corona-Krise nichts. Der Vorsitzender des Konzernbetriebsrates kritisierte, dass die verschiedenen Chefs von MAN es nicht geschafft hätten, in Zeiten guter Konjunktur für ausreichend Rendite zu sorgen. Jürgen Kerner, Hauptkassierer der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender bei MAN Truck & Bus, sagte: „Die IG Metall wird es nicht tolerieren, dass der MAN Unternehmensvorstand – offensichtlich ohne tragfähiges Zukunftskonzept für die Belegschaft – die Abwicklung eines der letzten Nutzfahrzeugherstellers in Deutschland kompromisslos vorantreibt.“ Stimoniaris sagte, die Unternehmensvertreter „sollen selbst erklären, warum diese stolze MAN abgewickelt werden soll – denn nichts anderes stellen die Pläne des Unternehmens dar.“ Der Betriebsrat betonte, er wolle über eine zukunftsträchtige Lösung verhandeln. Aber auf einer Online-Betriebsversammlung nächste Woche solle die Unternehmensführung den Mitarbeitern “selbst erklären, warum diese stolze MAN abgewickelt werden soll – denn nichts anderes stellen die Pläne des Unternehmens dar”, sagte Stimoniaris. “Sozialverträglicher und zukunftsfähiger Umbau eines Unternehmens sieht anders aus und geht auch anders, wie die Konzepte der Arbeitnehmerseite zeigen.” Ein MAN-Sprecher sagte: “Der Vorstand hat die Entscheidung des Betriebsrats mit Bedauern zur Kenntnis genommen.” Der Schritt sei überraschend gekommen. Dem Vorstand gehe es nicht um Kahlschlag, sondern um eine notwendige Restrukturierung, um mit dem eingesparten Geld in alternative Antriebe und Digitalisierung investieren zu können. Auch der Vorstand bleibe gesprächsbereit. (DPA/MAN/IGMetall/Sr)

 

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