Nach dem Elektro-Stadtbus ist vor dem Elektro-Reisebus. Und zwischen beiden Baureihen liegt das Segment der Überlandbusse. Hier ist die Zahl der Neuzulassungen lokal emissionsfreier InterCity-Busse noch überschaubar, nur 138 Fahrzeuge wurden europaweit im 2023 neu zugelassen. Zum Vergleich: Für das Segment der Stadtbusse mit Elektroantrieb waren es im Jahr 2023 insgesamt 6.354 Neuzulassungen über 8t, wie Wim Chatrou von Chatrou CME Solutions im letzten Jahr ermittelt hat. Man darf gespannt sein, wie es für das Jahr 2024 aussieht. Das Zahlenwerk des zwischenzeitlich in den Ruhestand gegangenen Niederländers führt die DVV Media Group weiter, die den Markt europaweit beobachtet und die Zahlen wie Wim Chatrou dokumentiert sowie auswertet.
Fairerweise muss man zu den 138 E-Überlandbussen anmerken, dass die Zahl oft mit 200 Fahrzeugen angegeben wird, was aber nicht korrekt ist, denn 62 Fahrzeuge sind nach ihrer Bauart BEV-Reise- und nicht Überlandbusse! Wer dominiert das Segment der BEV-Überlandbusse? Auch das kann Wim Chatrou für das Jahr 2023 eindeutig mit seinem Zahlwerk und der Analyse belegen: Von den in Summe genannten 200 BEV-Omnibussen hat Yutong die Hälfte, also 100 Fahrzeuge, geliefert! Golden Dragon hat die restlichen 97 BEV-Omnibusse gelifert, alle wurden in Norwegen zugelassen. Und die letzten drei BEV-Busse steuerte Higer bei. Was fällt auf? Alle Bushersteller stammen aus China…
Während Elektro-Linienbusse im Segment der Stadtbusse immer mehr an als Fahrt aufgenommen haben, stehen Elektro-Überlandbusse erst am Anfang einer im wahrsten Sinne spannenden Karriere. Und auch das Angebot wächst stetig, wie ein Blick auf die Neuheiten der Bushersteller zeigt: Iveco Bus als Branchenprimus in diesem Bereich hat die Crossway-Baureihe elektrifiziert und auf der Busworld 2023 vorgestellt, die ersten Fahrzeuge werden noch dieses Jahr ausgeliefert. So werden beispielsweise im Konzessionsgebiet Zuid-Holland Noord (ZHN) in den Niederlanden 102 batterieelektrische Crossway LE bei Qbuzz zum Einsatz kommen. Aber auch MAN hat mit dem Lion’s City E LE, der gerade mit dem Sustainable Bus Award 2024 in der Kategorie InterCity ausgezeichnet wurde, ein entsprechendes Fahrzeug schon für die Klasse II im Angebot.
Irizar stellte auf der Feria Internacional de Autobuses y Autocares in Madrid im Oktober 2024 mit dem i3 electric eine neue Überlandbus-Baureihe vor. Und Scania hat in Zusammenarbeit mit Castrosua auf Basis der 75CS-Baureihe einen BEV-Überlandbus mit Klasse II für den spanischen Markt im Angebot, der 2025 verfügbar sein soll. Aus der Türkei bieten Otokar mit dem e Territo und Temsa mit dem LB SB E spannende Überlandbusse an. Dass der Markt der E-InterCity-Busse auch für die in Europa immer mehr auf den Markt drängenden Bushersteller aus China interessant ist, zeigt Yutong. Nach der Insolvenz von Van Hool machte der Anbieter aus Zhengzhou dem Verkehrsbetrieb Qbuzz ein Angebot, die bei den Belgiern bestellten 112 BEV-Überlandbusse in 15m-Ausführung pünktlich zu liefern. Im Dezember dieses Jahres werden die ersten 54 Yutong U15 Elektrobusse in Klasse II in den Niederlanden im Konzessionsgebiet von Zuid-Holland Noord (ZHN) in Dienst gestellt werden.
Neben den Niederlanden sind LE-Busse mit BEV-Antrieb auch in Skandinavien gefragt, wo an den jeweiligen Ausschreibungen liegt, die diese Bauart vorschreiben. Aber auch die europäischen OEM sind am Ball: VDL hat für 2025 den Leichtbaubus Citea in Klasse II angekündigt, Volvo Bus will in 2025 den 8900 electric in ausgewählten Ländern Europas anbieten. Solaris, europaweit die Nummer 1 im Geschäft mit Elektrobussen, wird ab 2026 mit dem E-InterUrbino in den Längen 10,9, 12,2 und 13 Metern in den Markt einsteigen. Es kommt also langsam aber dann doch mit einer gewissen Dynamik viel Bewegung ins Segment der E-Überlandbusse. Chinesische Marken dominieren, noch, europäische Bushersteller haben das Portfolio erweitert und bieten oder werden Überlandbusse mit BEV-Antrieb zeitnah anbieten.
Und Daimler Buses? Der Blick auf die eRoadmap zeigt, dass im nächsten Jahr ein BEV-Überlandbus zum Portfolio gehören wird. Die Weltpremiere wird das Fahrzeug auf der Busworld 2025 im Oktober in Brüssel feiern. Vorab wird es erste Informationen und einen seriennahen Prototypen auf den eMobility Days am 18. November 2024 geben. Spannend, welche der beiden Marken Daimler Buses zuerst elektrifiziert. Tatsache ist, das Mercedes-Benz bei der Vorstellung der neuen Intouro-Baureihe vor vier Jahren deutlich machte, dass die neue Intouro-Familie europaweit das Hochbodensegment dominieren solle. Hier behauptet sich Daimler Buses seit Jahren mit Marktanteil von mindestens 25 Prozent. Der EU30-Markt hat nach Angaben von Marktbeobachtern und Analysten ein Volumen von 8.000 bis 9.000 Neuzulassungen jährlich. Und auch wenn die Corona-Pandemie hier ihre Spuren hinterließ, der Markt und das Sgement sind und bleiben stabil. Wer zukünftig vorne mitfahren möchte, muss einen BEV-Überlandbus im Angebot haben.
Im Überlandlinienverkehr sind Low-Entry-Busse (LE) gefragt, die Bauart erleichtert die Zugänglichkeit und auch die Anpassungsfähigkeit an alternative Antriebe. Es ist aber doch egal, ob zuerst der Intouro von Mercedes-Benz oder die neue MultiClass500 LE von Setra als BEV-Omnibus vorfährt, was zählt, ist die Tatsache, dass Daimler Buses mit Blick auf den wachsenden Wettbewerb – auch aus China – jetzt in diesem Segment präsent ist. Nicht zuletzt forciert die Europäische Union die E-InterCity-Busse mit den ehrgeizigen Zielen, die CO2-Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen, zu denen auch Überlandbusse gehören, zu reduzieren. Bis 2030 müssen die Emissionen bei Neuzulassungen um 45 % gesenkt werden, was bis 2035 auf 65 % und bis 2040 auf 90 % ansteigt. Diese Vorschriften unterstreichen das Engagement der EU für eine emissionsfreie Zukunft und zwingen die Bushersteller, die Entwicklung und den Einsatz von Elektrobussen im Überlandbereich zu beschleunigen, weil diese nach Klasse II den zuvor erwähnten neuen CO2-Normen für schwere Nutzfahrzeuge unterliegen. (CME/omnibus.news/Sr)