Seite wählen

Dan Frykholm, der Designer für die Busse von Volvo, vor dem kecken Knick des 9900. Foto: Schreiber

„Gutes Design verbindet Funktion und Form, achtet auf Proportionen und Machbarkeit“, so Dan Frykholm, der bei Volvo das Design aller Omnibusse verantwortet. Die Gestaltung der Form ist eine Hülle, die bei Volvo die Markenwerte wie Qualität, Sicherheit und nicht zuletzt den Umweltaspekt transportieren soll. Da war doch noch etwas? Richtig, die Theaterbestuhlung! Seit Volvo 1994 die Heilbronner Busschmiede Drögmöller übernommen hat, zählt sie zu den Alleinstellungsmerkmalen der Schweden. Und bei der neuen 9000er-Baureihe haben die Designer diese Tradition für alle sichtbar dargestellt. Keine Frage, der Reisebus mit Theaterbestuhlung ist ein Volvo! Um dieses Merkmal zu wahren zu betonen, hat der 9900 in der Seitengrafik eine kecke Kante mit auf den Weg bekommen. Verchromte Zierleisten in der Seitenwand sind nichts Neues, mal folgen sie einem Aufschwung, mal einem Abschwung. „Oder sie betonen einfach nur die untere Fensterkante“, so Dan Frykholm. Die Schweden wollten mehr, sie wollten ganz im Sinne des Design die Form der Funktion folgen lassen.

Für ein neues Heck gab es zahlreiche Entwürfe… Grafik: Frykholm

Dan Frykholm denkt über die unterschiedlichen Entwürfe nach. Foto: Volvo

Damit wird für den Betrachter sichtbar, was sich unter dem Blech schon lange verbirgt, der 9900 hat sich in seiner Neuauflage die Eigenschaft bewahrt, die das Vorgängermodell so beliebt gemacht hat: den legendären Theaterboden. Hinzu kommt etwas mehr „Attitude“, wie man an der neuen und durchaus kecken Seitengrafik sieht. Und die verkörpert genau das, was man unter gutem Design versteht: „Design macht ein Produkt verständlich“, so Dan Frykholm. Und weiter: „Es verdeutlicht auf einleuchtende Weise das Produkts. Mehr noch: es kann das Produkt zum Sprechen bringen.“ Im besten Fall erklärt es sich dann selbst, wie der Schwede mit einem Schmunzeln im Gesicht deutlich macht. Seine Augen hat er auf das so genannte Z-Shape gerichtet: Keine Frage, die kecke Kante macht mit der Linienführung genau das, denn es erklärt, dass hier der Fahrgastboden ansteigt. Wertig aus Edelstahl sind die beiden aufgebrachten Flächen nicht nur Dekoration, sondern ein Statement. „Anders als beim Vorgänger sind die verbauten Scheiben jetzt keine Unikate mehr,“ merkt Dan Frykholm an. Richtig, sie verjüngen sich nicht stetig, sondern treten als Paare auf: Die Scheiben vor dem kecken Knick werden 1:1 auch nach diesem noch einmal verbaut.

Erste Ansätze, die Seitenwand in die Gestaltung mit einzubeziehen, sind hier schon zu erkennen… Grafik: Frykholm

Das Z-Shape-Design des neuen Volvo-Flaggschiffes wirft aber auch die Frage auf, wie es sich denn hinter eben diesem kecken Kick im Innern des Reisebusses sitzt? Gut, denn nicht nur mit der Aussicht klappt es, sondern auch mit dem Komfort. Der Fahrgast nimmt auf den neu entwickelten Sitzen Platz, die Volvo bei Kiel fertigen lässt. Und für die neue Sitz-Generation hat sich der Designer noch eine integrierte und verstellbare Kopfstütze ausgedacht, die das Sitzen noch bequemer machen soll. Wer sich nicht daran erinnert, dass er in einem Volvo fährt, dem hilft eine kleine in die Naht eingesetzte schwedische Flagge – die gibt es aber nur für die Lederbestuhlung. Sprichwörtlich Flagge bekennen die Schweden auch beim Markenzeichen: Bei der neu gestalteten 9000er-Baureihe wurde das klassische Ironmark vom Kühlergrill an eine markantere Position nach oben versetzt. „Dadurch entsteht der Eindruck einer größeren Windschutzscheibe, was den Abstand zwischen Fahrer und Verkehrsgeschehen optisch verringert,“ erklärt Dan Frykholm. Typisch Volvo sind die Scheinwerfer, die stammen nämlich vom Lkw und sind dem Kostendruck geschuldet. Apropos Front, sie dürfte auch in Europa als klare Ansage verstanden werden: An den Markt in Fernost, denn Volvos Nutzfahrzeugsparte expandiert seit Jahren vor allem in diesem Bereich.

Nicht nur die äußere Hülle gehört zum Aufgabenfeld eines Designers, wie diese Details für das Interieur zeigen. Grafik: Frykholm

Als so genannter Global-Player hat Volvo durch die Beteiligung an dem chinesischen Unternehmen Dongfeng Commercial Vehicles seine Position auf dem Markt in China verstärkt. Und die neue 9000er-Generation wird sicherlich Teil des Volumengeschäftes im Reich der Mitte werden. Optisch wird Volvo neuer Auftritt sehr gut ankommen, denn viele Fahrzeuge in China haben eine voluminöse Front, gefolgt von einer Seite, die sich nach hinten verschlankt. Wer sich nun das Vorbild bzw. das Motiv des chinesischen Drachens ins Gedächtnis ruft, der erkennt in der aufgeblasenen, voluminösen Front im Prinzip eben dieses Vorbild bzw. Motiv. Design ist Kommunikation. Der ganz bewusste Umgang mit den Kommunikationsmitteln des Automobildesigns führt zu Lösungen, die ihre Spannung und ihren Reiz aus dem Zusammenspiel von Formen und Linien, von Flächen und Radien und aus einer Vielzahl liebevoller Details beziehen. Das wird beim Heck auch wieder deutlich: Dank markanter Abrisskanten konnte der Cw-Wert auf 0,31 gesenkt werden. Außerdem duckt sich der Riesebus, wenn er schneller als 80 km/h unterwegs ist. Zwei Zentimeter weniger Höhe und ein Abschluss, der den Gesetzen der Aerodynamik folge stehe für die nötige Verbindung von Form und Funktion, so Dan Frykholm.

Dan Frykholm im Gespräch über Design, Kunst und das Kommunikative, was ein Bus hat. Foto: Weidenbacher

Die Gestaltung der Form und die Behandlung der Flächen, verbunden mit der prägenden Grafik des Fugenverlaufes, spiegeln die Klarheit und Konsequenz des Volvo-Designs wider. Starke Markenidentität oder hohe Funktionalität werden bei Volvo nicht als Dogmen verstanden, wie Dan Frykholm abschließend philosophiert. Sie würden vielmehr die Basis für das Design, welches neben dem Verstand auch die Gefühle anspricht, bilden. Rüdiger Schreiber

Sieht so die nächste Generation aus? Ideen gehen Volvos Bus-Designer auf jeden Fall nicht aus! Grafik: Frykholm

Teilen auf: