Am Jahresanfang sei die ein oder andere Meldung zu etwas Kuriosem erlaubt: Zusammen mit einem 184-seitigen Buch hat der Modellautohersteller AutoCult mit der Edition 2016 nicht irgendein Buch herausgegeben, sondern ein Buch für automobile Enthusiasten, die mehr über vergessene Automobile, Marken und Entwicklungen wissen möchten. Ob selten, schnell oder verrückt – viele interessante Geschichten in Verbindung mit historischem Hintergrund, flankiert mit vielen historischen Fotos und Bildern der AutoCult-Modelle machen dieses Buch zu einem Muss für den Interessierten automobiler Geschichte. Und noch etwas macht das Buch durchaus begehrenswert: Die 43-fache Verkleinerung des T2b, den der Künstler Erwin Wurm im großen Maßstab ganz eigen und kreativ zu (s)einem Currywurst-Bus gemacht hat. Der österreichische Künstler ist mit seinen adipösen Autos und seinen irrwitzigen Mitmach-Turnübungen, genannt One-Minute-Sculptures, international bekannt geworden. Für erstere verwendete er bislang mit Vorliebe Porsche Carreras, dicke Bonzenautos, denen er mit Fettwülsten die Schnittigkeit nahm. Den „Currywurstbus“ hat Wurm extra für seine Einzelausstellung „Fichte“ angefertigt, und weil die in Wolfsburg ist, musste es natürlich ein Volkswagen sein. Sogar die Wurst stammt aus der betriebseigenen Produktion. Im Grunde ist es der Nährstoff darin, der zählt, das Fett. „Daran interessiert mich, dass es deformiert, dass es Form verändert“, sagt Wurm. Als klassischer Bildhauer ginge es ihm darum, zu modellieren: Volumen hinzuzufügen und Volumen wegzunehmen, genau wie beim Zu- und Abnehmen. Es gibt so manche Dinge im Leben, die Hiesige und Fremde als hundertprozentig typisch deutsch bezeichnen würden. In Fragen der Esskultur dürfte sicherlich ziemlich schnell die nur allzu beliebte Currywurst genannt werden, in Fragen der Autokultur könnte ebenfalls ganz oben das Kürzel VW stehen. Auf die Frage, ob diesen zwei so lieb gewonnen Dingen ein gemeinsames Denkmal gesetzt werden könne, gab es bis vor kurzem keine Antwort. Seit dem März 2015 hat sich dies allerdings geändert, denn seit diesem Zeitpunkt gibt es erstmals eine Symbiose dazu – und zwar eine geradezu genial gelungene! Die Idee zu der Doppelkult-Verbindung eines VW und der Currywurst hatte der damals 60jährige österreichische Bildhauer Erwin Wurm, der sich mit der realen Umsetzung seines Humors einen anerkannten Namen in der Kunstszene gemacht hatte. Alleine konnte er zwar seine Vorstellungen nicht realisieren, doch seine Idee stieß sogleich auf offene Ohren im Wolfsburger-Werk und sofort kam Hilfe von allen Seiten. Das Kunstmuseum Wolfsburg stand parat, insgesamt 17 Auszubildende aus der AUDI-VW-Gruppe durften sich in das Projekt einbringen und auch bei der Suche nach einem Fahrzeug halfen die Wolfsburger. Ruheständler aus der VW-Nutzfahrzeugsparte wurden in Griechenland fündig und brachten einen VW T2b wieder zurück nach Wolfsburg. Für sein neues Leben musste der Bus innen zunächst vollkommen ausgeräumt werden. Neue Stahlteile legten das Gerüst für den Einbau einer modernen Küchenzeile mit Fritten-Bräter und für eine leistungsstarke Abzugshaube im Bulli-Himmel. Im Inneren näherte sich der Einbau immer mehr einer modernen Gastro-Einrichtung an, doch auch äußerlich wollte Erwin Wurm seinen Currywurst-Bus nicht mehr als herkömmlichen Wolfsburger Ableger sehen, sondern seine Hommage auch optisch wider geben. Um die symbolisierte dickbauchige Fleischwurst am VW darzustellen, wurden dicke Styroporblöcke an die alte Blechhaut angeklebt und mittels reichlicher Spachtelmasse und mit viel Bauschaum in eine stabile Form gebracht. Der gewählte Lack eines farbenfrohen Orangetons erfolgte in der Lackiererei AutoVision in Salzgitter und alle Beteiligten dürften sich nach dem erstmaligen Betrachtens des neu erwachten VW einig gewesen sein, dass sie sehr gute Arbeit geleistet hatten. Vom 22. März bis zum 13. September 2015 war der mutierte VW-T2b Bus Bestandteil der Ausstellung „Erwin Wurm, Fichte“ im Wolfsburger Kunstmuseum am Hollerplatz.
Currywurst-Bus
2. Januar 2017