Wer schon einmal in Rom war, der weiß, dass man nicht mit dem Bus fahren sollte: Busspuren existieren fast gar nicht, die eingesetzten Omnibusse haben ein stolzes Alter und sind nie pünktlich. Meistens ist man zu Fuß sowieso viel schneller, denn der Straßenbeleg und die Schlaglöcher tragen viel dazu bei, dass die Linienbusse, wenn sie nicht gerade im Verkehrschaos feststecken, nur im Schneckentempo vorankommen. Besserung nicht in Sicht. Das, was andere europäische Metropolen bieten, etwas Innovatives und Neues, wenn man wieder einmal in der Stadt ist, vermisst man in Rom. Der ÖPNV nimmt an vielen Orten zu, in der italienischen Hauptstadt seit Jahren ab. Was sich hält, sind Gerüchte, dass Azienda Tranvie ed Autobus del Comune di Roma (ATAC) vor der Pleite steht. Marco Rettighieri sollte ATAC retten, bekam aber zu wenig Unterstützung – von den Mitarbeitern und den Verantwortlichen aus der Politik. Nachdem er das Handtuch hingeworfen hatte, kam Bruno Rota. Die Römer hofften, dass der erfahrene Manager den ÖPNV nach Mailand auch in Rom wieder zurück auf den Pfad der Tugend bringen könnte. Doch Rota kann Rettighieri nur den Rücken stärken, in Rom scheint das Aus besiegelt. Das städtische Busunternehmen soll 1,5 Milliarden Euro Schulden haben, wie in den Tageszeitungen Roms immer wieder zu lesen ist! Und das, obwohl ATAC jedes Jahr mit über einer halben Milliarde Euro subventioniert wird. Trotzdem präsentieren die Verantwortlichen am Ende des Jahres jeweils ein Defizit von über 100 Millionen Euro. ATAC hat eigentlich knapp 2.000 Busse im Fuhrpark, eigentlich, denn nach einer Zählung kam man nur auf 1.400 Busse… Irgendwie muss man dabei an Don Vito Corleone denken, oder? Es kommt auch deshalb kein Geld in die Kassen, weil das Kaufen eines Fahrscheins fast so unanständig ist, wie als Busfahrer täglich arbeiten zu gehen, wie eine Gruppe Busfahrer der ATAC bei einer „Pause mit Espresso“ frei zugibt. ATAC bestätigt, dass nur ein Drittel der Gesamteinnahmen aus dem Kartenverkauf stamme. Die Moral der Mitarbeiter sei nicht die, die man erwarten dürfte, so La Repubblica in der letzten Woche. Von den über 11.000 Bediensteten würden 20 Prozent täglich nicht am Arbeitsplatz erscheinen. Und viele Bedienstete würden sich weigern, bei Dienstantritt zu stempeln. In Rom fließen alle Sünden und Laster zusammen, um verherrlicht zu werden – so Publius Cornelius Tacitus vor fast 2.000 Jahren in seinen Annalen über Italien. Das Manager Magazin titelte im Juli über ATAC, dass es das verlotterteste Unternehmen Europas sei und berichtete über weitere Missstände, wie beispielsweise über einen „zeitweilig freigestellten“ ATAC-Mitarbeiter, der als Reifenliferant fungierte. Statt, wie üblich, 1.500 Reifen, seien in diesem Jahr in gleicher Zeit nur 500 nötig gewesen. Und das offenbar nur, weil jetzt die Belege für die verkauften Reifen vorgelegt werden mussten. Wer das Interview von Bruno Rota in der Zeitung Corriere della Sera gelesen hat, der weiß jetzt noch mehr, warum man in Rom nicht mit dem Bus fahren sollte…
ATAC vor der Pleite?
31. Juli 2017