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Hauptsache es läuft irgendwie, so das Motto des ÖPNVs in Rom. Foto: Schreiber

Irgendwie anders – das ist Rom. Wo man gestern noch mit dem Bus fahren konnte, ist heute die Straße plötzlich gesperrt. Und wenn gestern der Bus noch einigermaßen pünktlich war, dann kommt er heute gar nicht oder wenn doch, dann gleich mit drei anderen Bussen zusammen. Wer schon einmal in Rom war, der weiß, dass man besser nicht mit dem Bus fahren sollte: Busspuren? Gibt es nicht! Moderne Linienbusse? Von wenigen Ausnahmen abgesehen auch nicht existent! Es ist irgendwie anders, auch die Tatsache, dass sich kein Italiener darüber aufregt – man arrangiert sich. Wenn für Freitag – ausgrechnet ein 13. im Oktober diesen Jahres – ein Generalstreik für die Mitarbeiter der Azienda per i Trasporti Autoferrotranviari del Comune di Roma (ATAC) ausgerufen wird, dann nehmen das Römer auch nur zur Kenntnis. In Deutschland könnte man sich darauf verlassen, in Rom – man ahnt es – ist auch das irgendwie anders. Nach der großen Ankündigung fand am 13. Oktober 2017 kein Streik statt. Wer sich darauf eingestellt hat und zu Fuß ging, entlarvte sich als Tourist. Römer schauten erst einmal und siehe da, da fährt ja ein Bus! Keiner fragt, warum gestreikt werden sollte, denn jeder Römer weiß es: Der städtische Verkehrsbetrieb hat mittlerweile weit über eine Milliarde Euro an Schulden angehäuft und ist damit de facto pleite. Römer lieben ihre Ruinen, die von den Touristen bestaunt werden. ATAC darf man mittlerweile getrost dazuzählen. Linda Meleo, die Verkehrsdezernentin Roms, zieht eine vernichtende Bilanz, wie letzte Woche in mehreren römischen Tageszeitungen zu lesen war: “Unser Verkehrsbetrieb ist zusammengebrochen. Der Fuhrpark wurde in den vergangenen Jahren nicht gepflegt. Es hat keine Investitionen gegeben, weder in den Schienenverkehr noch in die Busse. Und immer hatten die Politiker ihre Hände im Spiel. Sie haben die ATAC benutzt, Leute wurden nur aus Freundschaft eingestellt oder weil da Verwandte waren. Die ATAC war über all die Jahre eine Art Geldautomat für Politiker.” Seit Jahren kriselt es, das Magazin Spiegel titelte im letzten Jahr, dass die ATAC das wohl verlottertestes Unternehmen Europas sei: Hunderte Busse existierten nur auf dem Papier, Gewerkschafter hätten über 100.000 Freistunden gesammelt und Gelder würden im Nichts verschwinden. Dazu passt die Einstellung vieler ÖPNV-Nutzer, in Rom im Bus ohne Fahrschein zu fahren: Eine Ticket wird erst gar nicht gekauft, auch wenn das Bigletto Integrato für 100 Minuten gerade einmal 1,50 Euro kostet. Das hängt, so witzeln die Römern, mit den vielen Taschendieben im Bus zusammen, da stecke man sich doch keine Fahrkarte in die Tasche… In Rom fließen scheinbar wirklich alle Sünden und Laster zusammen, um verherrlicht zu werden – so wie es Publius Cornelius Tacitus vor fast 2.000 Jahren in seinen Annalen über Italien schrieb. Vor über einem Monat kam der Verwaltungsrat der ATAC zusammen und beschloss, dass das Unternehmen seinen Betrieb fortzusetzen und gleichzeitig einen Plan für den Ausstieg aus der Pleite entwickeln müsse. Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi versprach: “Wir werden den Betrieb retten, der allen Römern gehört. Wir werden Tausende von Arbeitsplätzen retten und die Gehälter der Beschäftigten.” Historische Worte, an denen sie sich messen lassen muss. Sollte die Rettung nicht gelingen, wird auch die Bürgermeisterin und mit ihr die Stadt ruiniert sein: Die Stadt hat der ATAC mehrere Kredite gewährt und wird im Falle einer offiziellen Pleite als Bürge viel Geld verlieren. Hunderte von Millionen sind im Gespräch. Und die ATAC zahlungsunfähig ist, dann ist es auch die Stadt Rom. Doch auch dieses drohende Szenario bewegt nichts. Irgendwie fühlt man sich an Federico Fellini und „La Dolce Vita“ erinnert. Der Film steht auch heute noch symbolisch für das italienische Lebensgefühl und scheint Vorlage für die Verantwortlichen zu sein, die in Rom nicht die Suche, sondern die Leichtigkeit des Seins auch im ÖPNV leben.

Auch das gehört im römischen ÖPNV oft zum Alltag: Ein lautes metallisches Kratzen, dann ist die an der Seitenwand angebrachte Werbetafel ab – hier hängt sie an der Stoßstange des geparkten Militärfahrzeugs. Foto: Schreiber

Austeigen, den Schaden in Augenschein nehmen und… Foto: Schreiber

…den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen. Foto: Schreiber

 

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