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Hauptsache es läuft irgendwie, so das Motto des ÖPNVs in Rom. Foto: Schreiber

Italiens Hauptstadt leidet unter einem maroden ÖPNV. Das öffentliche Nahverkehrsunternehmen, die Agenzia del Trasporto Autoferrotranviario del Comune di Roma (ATAC), müsste Konkurs anmelden, wie Corriere della Sera und La Repubblica melden. Das Unternehmen ist nicht mehr zu retten, jetzt liegt seit Anfang des Jahres ein Sanierungskonzept vor, denn die ATAC hat Schulden von 1,3 Milliarden Euro angehäuft. Linda Meleo, die Verkehrsdezernentin, zog im letzten Jahr eine vernichtende Bilanz. Doch weder Manager der ATAC, noch Politiker, die für den städtischen Betrieb verantwortlich sind, handeln. Selbst Richter wiegeln ab, ein eigentlich verantwortlicher Konkursrichter will das von der Stadt vorgeschlagene Vergleichsverfahren zum Abwenden einer Insolvenz gar nicht erst annehmen, denn dann müsste er es genehmigen. Doch nun lässt sich das Ende der ATAC scheinbar nicht mehr abwenden, ein eingesetzter Krisenstab hat die Situation der ATAC untersucht und Vorschläge gemacht, wie das Unternehmen zu retten sei. Gerüchte einer baldigen Privatisierung machen die Runde. Mittlerweile ist die Situation der ATAC das Gesprächsthema, selbst die einstige Gelassenheit der Römer beim Bus- und Bahnfahren ist nicht mehr vorhanden, die ATAC ist unter Römern mehr als ein Reizthema. Fast 12.000 Mitarbeiter der ATAC beördern täglich 4 Millionen Fahrgäste. Damit der ÖPNV weiter läuft, sind dringend neue Linienbusse nötig. Doch kein Hersteller will den Römern neue Fahrzeuge verkaufen, zu angespannt sei die finanzielle Situation. Und auch Ersatzteile fehlen mittlerweile, die ATAC erhält jährlich Subventionen von über 500 Mio. € und schreibt dennoch rote Zahlen. Weil Rechnungen im Wert von 325 Mio. € nicht bezahlt worden sind, ist mittlerweile niemand mehr bereit, die dringend nötige Ersatzteile zu liefern.

Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi will die ATAC nicht privatisieren. Foto: de Luca

Neue Linienbusse wären aber mehr als nötig, nicht nur wegen des Gesetzes zur Luftreinhaltung. Der Fuhrpark ist in die Jahre gekommen, ständig bleiben Fahrzeuge mit Pannen liegen, denn der Fuhrpark der ATAC gehört zu den ältesten und am schlechtesten gewarteten Europas. Die Linienbusse sind im Schnitt 12 Jahre, jährlich fallen mindestens 1 Million Fahrten aus. Rund 250.000 Pannen mit dem Bus gehören jährlich zum Standard, Tendenz steigend. Aber mit Angaben zum Fuhrpark und genauen Zahlen tut sich die ATAC schwer: Bei einer vor gut einem Jahr durchgeführten Bestandsaufnahme soll sich heraus gestellt haben, dass von knapp 2.000 in den Büchern geführten Bussen gut ein Viertel gar nicht existieren soll! Wer in Rom an einer Haltestelle auf einen Bus wartet, der empfindet den ausgehängten Fahrplan als Hohn, denn ob ein Bus zu den angegebenen Zeiten kommt, ist mehr als ungewiss. Roms Bürgermeisterin Virginia Raggi versprach: “Wir werden den Betrieb retten, der allen Römern gehört. Wir werden Tausende von Arbeitsplätzen retten und die Gehälter der Beschäftigten.” Historische Worte, an denen sie sich messen lassen muss. Sollte die Rettung nicht gelingen, wird auch die Bürgermeisterin und mit ihr die Stadt ruiniert sein: Die Stadt hat der ATAC mehrere Kredite gewährt und wird im Falle einer offiziellen Pleite als Bürge viel Geld verlieren. Hunderte von Millionen sind im Gespräch. Und wenn die ATAC offiziell für zahlungsunfähig erklärt wird, dann ist es auch die Stadt Rom! Bei der letzten Bürgermeisterwahl Roms soll die Verärgerung vieler Fahrgäste über ständiges Warten und Pannen erheblich zum ersten großen Sieg der Protestpartei Fünf-Sterne beigetragen haben. Doch deren Vorzeigekandidatin und amtierende Bürgermeisterin Virginia Elena Raggi kann nicht erfüllen, was sich viele Wähler erhofften: Einen modernen ÖPNV. Raggi will keine Privatisierung, die Bürgermeisterin und ihre Fünf-Sterne-Partei tun alles, damit der Verkehrsbetrieb nicht privatisiert – und damit in ihren Augen zerschlagen – wird. Bis Ende des Monats müssen sich alle Beteiligten – ATAC-Manager wie Politiker – nun erklären, wie es mit dem Verkehrsbetrieb weitergehen soll. Allen Beteiligten ist klar, dass die ATAC hoch verschuldet und heruntergewirtschaftet ist, eine Fortführung unter diesen Bedingungen nicht mehr möglich ist. Kein Römer spricht aus, dass die Einleitung eines Insolvenzverfahrens unausweichlich ist. Das angestrebte Referendum der Römer, die über die Zukunft ihres öffentlichen Nahverkehrs abstimmen sollen, soll Anfang Juni stattfinden, wird aber wohl verschoben werden. Bis dahin dürften erste Ergebnisse und hoffentlich positive Zahlen aus dem hauseigenen Konzept zum Fortbestand der ATAC vorliegen.

Hinter den Mauern der ATAC geht es turbolent zu. Foto: de Luca

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