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1994 sorgte die Übernahme von Kässbohrer für Aufsehen und Aufregung. Foto: Daimler

Vor 25 Jahren war die Busbranche in Aufruhr und die Sorge um Kässbohrer groß: Ob es den viertgrößten Bushersteller Europas in einem Monat noch geben würde, sei noch lange nicht sicher, so der damalige Betriebsratsvorsitzender Kurt Lehmann vor einem Viertel Jahrhundert anlässlich des riesigen Schuldenberges, den die Ulmer Busschmiede angehäuft hatte. Rund 700 Millionen D-Mark seien es, so die Tageszeitungen, die mit Blick auf die Arbeitsplätze genau verfolgten, wer seine Fühler ausstreckte, um die 1893 gegründete Traditionsfirma zu übernehmen. Neben Bombardier und Mercedes-Benz war auch lange Volvo im Gespräch, dann wurde am 16. September 1994 in Stuttgart der notarielle Kaufvertrag mit dem neuen Eigentümer besiegelt. Für Volvo gab es Kässbohrers dänische Fabrik, die Ulmer und Neu-Ulmer Fabriken gingen an den Daimler-Benz Konzern. Und weil es mit Mercedes-Benz ein durchaus großes und etabliertes Unternehmen mit großem Marktanteil in der Buswelt war, legten die Kartellwächter ein Veto ein und verboten die Übernahme, weil Daimler-Benz mit der Bussparte dann eine beherrschende Stellung auf dem Omnibusmarkt erhalten würde. Nicht nur deutsche Kartellwächter sahen die Übernahme kritisch, sondern auch die Europäische Union, deren Ausschuß für Kartell- und Monopolfragen ebenfalls ein Veto empfahl. Dem Nein zur Übernahme stellten sich dann vor 25 Jahren rund 10.000 Menschen entgegen, alle waren sich einig: Betriebsrat, die IG Metall und die Stadt Ulm wollten die über 3.000 Arbeitsplätze bei Kässbohrer sowie die unzähligen der Zuliefereindustrie erhalten wissen. Das schien ebenso Wirkung zu zeigen wie das Bekenntnis der Kässbohrer-Geschäftsleitung, bei einem Nein aus Brüssel die ausländischen Werke schließen zu müssen. Höchstpersönlich setzte sich daraufhin der damalige EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert für die Übernahme ein, er sah, wie viele Mitarbeiter in Ulm und der Betriebsrat dann in der Daimler-Benz AG als Käufer die richtige Wahl. Der Kauf wurde besiegelt, die EvoBus GmbH als gemeinsames Dach für die beiden Busmarken aus der Taufe gehoben. „Ich bin fest der Überzeugung, dass wir vor 25 Jahren ein gutes Stück Industriegeschichte im Omnibusbau geschrieben und die Weichen dafür gestellt haben, dass wir dies auch künftig tun. Wir haben eine klare Vision: Unseren Kunden bieten wir als führender Anbieter weltweit die besten Busse und Mobilitätslösungen“, so Till Oberwörder, Leiter Daimler Buses. Aus der anfänglichen Vernunftehe ist heute rückblickend eine Liebeheirat geworden, denn obwohl der Zusammenschluss des Produktbereichs Mercedes-Benz Omnibusse der damaligen Mercedes-Benz AG und der Omnibusmarke Setra der ehemaligen Karl Kässbohrer Fahrzeugwerke GmbH alles andere als einfach war, gab es beidseitig viel Potential, was die Marken jeweils vom Partner für sich nutzen konnten. 100 Jahre vor der Fusion beider Marken, am 18. März 1895, brachte Carl Benz den ersten motorgetriebenen Omnibus der Welt – den Benz Patent-Motorwagen-Omnibus mit acht Sitzplätzen auf die Straße. Für Karl Kässbohrer, dessen Wagnerbetrieb zu diesem Zeitpunkt gerade zwei Jahre alt war, waren diese Erfindungen die Grundlage seiner Geschäftsidee, Wagen und Fahrzeuge der gehobenen Klasse zu bauen. 15 Jahre später lieferten die Karl Kässbohrer Fahrzeugwerke unter anderem Kutschenwagen und Landaulet-Karosserien an Daimler. Die über viele Jahrzehnte vor der Fusion gewachsenen Beziehungen zwischen Mercedes-Benz und Kässbohrer waren Grundlage für den späteren gemeinsamen Erfolg. Dieser beruht neben den starken Produkten auf der hohen Innovationskraft beider Partner. Kässbohrer brachte beispielsweise Innovationen wie die selbsttragende Bauweise in die Ehe ein. Die Mercedes-Benz-Omnibusse profitierten vom Zugang zu den zukunftsweisenden Technologien aus dem Daimler Forschungsbereich. Bis heute wirken sich der Innovationsgeist und der große Erfahrungsschatz der Belegschaft beider Marken positiv auf die Unternehmensentwicklung aus. Heute ist die EvoBus GmbH mit 14 Tochtergesellschaften in Ländern wie Frankreich, Spanien, Italien und Belgien für das europäische Geschäft von Daimler Buses verantwortlich. Neben der EvoBus GmbH gehören Buswerke und entsprechende Ländergesellschaften rund um den gesamten Globus zum Geschäftsfeld Daimler Buses. „Heute können wir sagen, dass wir das Beste beider Marken vereint haben. Mit unseren stets weiterentwickelten Produktionsstandorten in Mannheim und Neu-Ulm sind wir der letzte in Deutschland produzierende Omnibushersteller. Darauf sind wir sehr stolz und sind uns unserer Verantwortung bewusst“, erläutert Till Oberwörder. Bereits bei der Gründung der EvoBus GmbH gehörte es zu den strategischen Zielen, alle europäischen Produktionsstandorte in einen hochflexiblen und gleichzeitig effizienten Verbund einzubetten. Ein wichtiger erster Meilenstein hierzu war zunächst die Etablierung des Produktionsverbunds zwischen Mannheim und den Werken Ligny-en-Barrois/Frankreich und Ulm/Neu-Ulm. 1998 wurde im spanischen Werk Sámano eine Teileversorgung aufgebaut und 1999 mit dem Werk in Holýšov/Tschechien ein weiterer Standort in den europäischen Produktionsverbund der EvoBus integriert. Ergänzt wird das europäische Netzwerk durch Produktionsstandorte in Lateinamerika, Indien, Indonesien und Südafrika. Weitere wichtige Bausteine sind das Minibus-Werk in Dortmund und das Werk in Hoşdere, in der Nähe von Istanbul/Türkei, heute Teil der Mercedes-Benz Türk A.Ş. Die Marken Mercedes-Benz und Setra setzten damals im Gesamtjahr 5.700 Fahrzeuge ab und beschäftigten in Europa rund 9.340 Mitarbeiter. Zum Ende des Jahres 2019 hat Daimler Buses weltweit rund 17.960 Beschäftigte, der Absatz beträgt rund 32.600 Einheiten (Komplettbusse und Fahrgestelle). (Daimler/Schreiber/PM/Sr)

Das symbolträchtige Foto vom Tag der Vertragsunterschrift nachgestellt: Mercedes-Benz und Setra vereint. Fotos: Daimler, Montage: omnibus.news

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